Das Rohmaterial: Polyamid, Polypropylen und Polyester. Diese Fasern sind der Grundbaustein eines jeden Seils. Je nach Anforderung und Einsatzgebiet verwenden wir bei EDELRID unterschiedliche Chemiefasern zur Herstellung unserer Seile. Im Folgenden sollen die wichtigsten Fasern und deren Eigenschaften kurz vorgestellt werden, um den Prozess vom Anfang bis zum Ende zu erläutern.

 

DAS AM HÄUFIGSTEN VERWENDETE MATERIAL

Die mit Abstand am häufigsten verwendete Faser zur Herstellung von hochwertigen Kunstfaserseilen ist Polyamid. Die bekanntesten Polyamide sind Nylon (PA 6.6) von der Firma du DuPont und Perlon (PA 6). Polyamide sind abriebbeständig, besitzen eine hohe Festigkeit und sind sehr elastisch. Sie lassen sich durch Hitze dauerhaft verformen, eine Eigenschaft, die beim Thermofixieren genutzt wird. Aufgrund ihres Energieaufnahmevermögens werden dynamische Kletterseile ausschließlich aus Polyamid gefertigt. Auch im Statikseilbereich werden bevorzugt Polyamidfasern verarbeitet, wobei hier die dehnungsärmeren Materialtypen verwendet werden. Nachteile von Polyamid sind die vergleichsweise hohe Wasseraufnahme und der damit verbundene Nassschrumpf.

 

GERINGES GEWICHT DURCH POLYPROPYLEN

Polypropylen kommt vor allem bei Anwendungen zum Einsatz, wo es auf ein geringes Gewicht und niedrige Kosten ankommt. Aufgrund der geringen Abriebbeständigkeit wird Polypropylen meist im Seilkern verwendet und durch einen Mantel aus Polyamid vor äußeren Einflüssen geschützt. Polypropylen ist extrem leicht, hat eine geringe spezifische Dichte und ist schwimmfähig, eine Eigenschaft, die wir uns bei der Herstellung unserer schwimmfähigen Canyoning-Seile zunutze machen.

DER EINSATZ VON POLYESTER

Statikseile aus Polyesterfasern kommen vor allem bei Arbeiten mit Säuren oder aggressiven Chemikalien zum Einsatz, da es gegenüber Polyamid eine deutlich höhere Säurebeständigkeit und so gut wie keine Wasseraufnahme besitzt. Allerdings besitzt Polyester ein sehr geringes Energieaufnahmevermögen und ist daher für PSA-Anwendungen nur bedingt geeignet.

DIE ZUGFESTIGKEIT ERREICHEN

Dyneema® ist eine äußerst reißfeste und extrem dehnungsarme Chemiefaser aus Polyethylen. Bezogen auf die Masse ist sie 15-mal zugfester als Stahl. Gute Scheuerfestigkeit, hohe UV-Stabilität und ein geringes Gewicht zeichnen diese Faser aus. Allerdings besitzt Dyneema® keinerlei dynamisches Energieaufnahmevermögen, wodurch es für PSA-Anwendungen ungeeignet ist. Dyneema®-Seile werden in erster Linie als Zugseile bei schweren Lasten eingesetzt, wo sie schwere Stahlseile ersetzen können. In der Praxis ist die sehr geringe Temperaturbeständigkeit zu beachten. So werden Dyneemafasern bereits ab einer Temperatur von ca. 135 °C geschädigt.

 

KEINE KOMPROMISSE BEI SCHNITTFESTIGKEIT

Aramid ist eine hochfeste, extrem hitzebeständige Faser mit einer extrem hohen Schnittfestigkeit. Sie weist jedoch genau wie Dyneema® keinerlei dynamisches Energieaufnahmevermögen auf und ist daher nur bedingt für die Anwendung im PSA-Bereich geeignet. Aufgrund der extremen Knickempfindlichkeit und der geringen UV-Beständigkeit werden Aramidfasern meistens durch einen Polyamidmantel vor äußeren Einflüssen geschützt. Wir bei EDELRID verwenden Aramid hauptsächlich in unseren Systemseilen zur Arbeitsplatzpositionierung, wo es auf minimale Dehnung und eine hohe Schnittfestigkeit ankommt.

WOZU DIENT DIE GARNVORBEREITUNG?

Da das Rohmaterial nicht direkt in die Flechtmaschinen einlaufen kann, ist ein Zwischenschritt notwendig. In der Garnvorbereitung werden die einzelnen Kern- und Mantelgarne für den eigentlichen Flechtprozess vorbereitet. Hier wird gezwirnt, gefacht, geflochten und geschrumpft.

DAS TRAGENDE ELEMENT DES STATIKSEILS

Der Kern ist das eigentlich tragende Element des Statikseils. Er besteht aus feinsten Multifilamenten, die in einem mehrstufigen Verfahren zu Kernzwirnen oder Kerngeflechten verarbeitet werden.

 

Mit welchem Verfahren werden Kerneinlagen erstellt?

Zwirnen ist das Standardverfahren zur Herstellung von Kerneinlagen. Bis zu 135 Nylonfasern werden zu einem Grundzwirn verdreht. Dieser Schritt wird auch als „Verzwirnen" bezeichnet. Der so entstandene Grundzwirn wird abhängig von der jeweiligen Konstruktion, mit zwei, vier oder fünf weiteren Zwirnen zu einer Kerneinlage verdreht. Mehrere Kerneinlagen ergeben dann den Kern des Statikseiles. Durch das Eindrehen erhält das Seil eine Grunddynamik, vergleichbar mit dem Prinzip einer Spiralfeder. Entscheidend ist die Anzahl der Drehungen auf einer gewissen Länge. Damit das Seil nicht krangelt, wird ein Teil der Einlagen in die eine Richtung gedreht, die anderen Einlagen in die Gegenrichtung. Im Ergebnis heben sich die Torsionskräfte auf und es entsteht ein krangelfreies Seil.


Im Unterschied zum Zwirnen werden beim Kerngeflecht bis zu drei Grundzwirne zu einer Kerneinlage verflochten. Mehrere dieser geflochtenen Kerneinlagen ergeben dann den Kern des Statikseiles. Das Ergebnis ist eine besonders kompakte Struktur. Statikseile mit geflochtenem Kern sind deutlich formstabiler und haben eine höhere Kantenstabilität als Statikseile mit gezwirnten Einlagen. Zudem lassen sie sich gut spleißen und weisen mit vernähter Endverbindung hohe Festigkeitswerte auf.

 

WIE DAS SEIL VOR ÄUSSEREN EINFLÜSSEN GESCHÜTZT WIRD

Der Mantel schützt den Kern vor äußeren Einflüssen wie Abrieb, UV-Strahlung etc. und verhindert das Eindringen von Schmutz. Darüber hinaus ist er ein guter Indikator zur Überprüfung von Kernmantelseilen. Ist der Mantel beschädigt, sodass der innere Kern sichtbar wird, ist dies ein eindeutiges Zeichen zur Aussonderung. Je nach Einsatzgebiet und Anforderungen verwenden wir bei EDELRID unterschiedliche Mantelkonstruktionen:

 

Das Verzwirnen des Statikseils

Beim Verzwirnen werden die einzelnen Mantelgarne 2-, 3-, 4- oder 5-fach unter definierter Spannung und Drehanzahl miteinander verbunden. Durch die Verdrehung der Garne wird die Oberfläche des Mantels vergrößert, was zu einer deutlich höheren Abriebfestigkeit führt.

 

Das Handling optimieren

Bei diesem Verfahren werden die Garne nach dem Zwirnen zusätzlich geschrumpft. Dies geschieht in einem Autoklav, einem überdimensionalen Dampfkochtopf mit einer speziellen Kombination aus Hitze und Druck. Durch den Schrumpf bleibt das Statikseil während der gesamten Lebensdauer angenehm weich im Handling und schrumpft bei intensivem Gebrauch nicht nach.

 

Warum wird Gefachtet?

Im Gegensatz zum Zwirnen werden bei diesem Verfahren die Garne ohne Verdrehung parallel auf Klöppelspulen gespult. Durch die parallele Verarbeitung der Fasern, ist die maximale Faserausnutzung gegeben und es können, bezogen auf die technischen Werte, sehr hohe Bruchkräfte erzielt werden. Einziger Nachteil ist die geringere Abriebfestigkeit gegenüber allen gezwirnten Konstruktionen.

Das parallele Spulen

Diese Konstruktion verbindet die Vorteile einer gezwirnten mit denen einer gefachten Konstruktion und ist damit die hochwertigste, aber auch teuerste Konstruktion am Markt. Dabei werden die Mantelgarne zunächst gezwirnt und anschließend parallel auf Klöppelspulen gespult. Wir verwenden diese aufwendige Konstruktion ausschließlich für unsere Topseile, wo höchste Bruchwerte und maximale Abriebbeständigkeit gleichermaßen gefordert sind.

 

DAS FLECHTEN

Beim Flechten entsteht nun das eigentliche Statikseil. Mantel und Kern werden miteinander vereint. Auf einer Flechtmaschine werden je nach Seiltyp unterschiedlich viele Kerneinlagen bzw. Kerngeflechte von den Mantelgarnen umflochten. Dabei tanzen Klöppel mit Mantelzwirnspulen in Höchstgeschwindigkeit um die Kerneinlagen. Entscheidend für das Flechten ist eine gleichbleibende, definierte Fadenspannung der Mantelgarne während des gesamten Flechtprozesses. Kommt es hier zu Abweichungen, wird das Seil entweder steif und unflexibel oder teigig-weich, mit einem hohen Mantelrutsch.

 

Identifizierung des Alters

Noch während des Flechtprozesses laufen der Jahreskennfaden und das Identifikationsbändchen in den Kern des Statikseils mit ein. Der Jahreskennfaden ist ein farbiger, in den Seilkern eingeflochtener Markierungsfaden aus Polyamid. Er zeigt durch eine Farbkodierung das Herstellungsjahr des Seiles an, wobei sich die Farben alle zehn Jahre wiederholen. Durch den Jahreskennfaden lässt sich das Herstellungsjahr über die gesamte Lebensdauer des Statikseils bestimmen. Das Identifikationsbändchen ist ein dünnes Band aus Polypropylen. Laut Norm muss es folgende Informationen enthalten:
 

  • Name der herstellenden Firma,
  • Norm- und Seiltyp,
  • Herstellungsjahr,
  • Material, aus dem das Statikseil gefertigt ist.

 

Wie wird die Qualität überprüft?

Nach dem Flechten gelangt das fertige Statikseil in die Konfektion. Hier läuft jeder Meter Seil durch die sensiblen Hände von Fachkräften. Sie fühlen sofort, wenn sich eine Faser aus dem Geflecht gelöst hat oder wenn sich das Seil zu rau, zu glatt oder zu wenig geschmeidig anfühlt. Sie haben mit der Zeit einen wahren „Seil-Sinn" entwickelt und sind die wichtigste Instanz für die Qualitätssicherung der EDELRID Seile. Keine Maschine könnte diese Aufgabe in gleicher Weise übernehmen. Erst dann werden die Seile in die passende Länge geschnitten. Eine Maschine verpasst dem Seil die Mittenmarkierung und verschweißt die Seilenden. Zum Schluss wird jede Seilrolle und Seilpuppe nochmals gewogen. Dabei ist für jedes Seil ein spezifisches Gewicht hinterlegt. Minimale Abweichungen werden sofort angezeigt und führen zu einer Aussonderung.

 

Die wichtigsten Informationen

Die Seilenden erhalten eine Banderole mit den wichtigsten Informationen, wie

  • Name der herstellenden Firma,
  • Seiltyp,
  • CE-Zeichen und Nummer der Zertifizierungsstelle,
  • Länge und Durchmesser,
  • Chargennummer mit Herstellungsjahr sowie die zugehörige EN-Norm.


Anschließend werden die Statikseile auf Rollen gespult oder von einer Wickelmaschine zu einer Seilpuppe aufgewickelt. Verpackt mit einer Seilbanderole und der Gebrauchsanweisung sind die Statikseile nun fertig zum Versand.