Welcher Klettergurt der Richtige für dich ist hängt in erster Linie davon ab, für welche Aktivität du den Gurt verwenden möchtest. Zum Sport- oder Alpinklettern? Für Hochtouren? Oder im Klettersteig? Hören wir uns einmal an, was gestandene Kletterer und Kletterinnen von ihrem Gurt erwarten. Jede*r hat sich einer anderen Disziplin des Kletterns verschrieben und legt daher auf verschiedene Parameter gesondert Wert.

 

KLETTERGURTE FÜR HOCHTOUREN

Marius – Bergsteigen und Hochtouren. Marius will dem Himmel immer so nah wie möglich sein. Sommer wie Winter ist er auf den Dächern der Welt unterwegs. Daher hat sein Klettergurt einen weiten Verstellbereich, sodass er ihn über jeder Kleidung tragen kann. Klassische Kletterei interessiert ihn weniger, wenngleich er Gratpassagen mit Leichtigkeit meistert. Zum Leben in der Höhe gehören natürlich auch zerklüftete Gletscher und Kletterpassagen mit Sturzgefahr. Da dieser Ernstfall aber selten eintritt und Marius wenig im Klettergurt hängen muss, wählt er ein Model, das ihm auch auf langen Einsätzen einen optimalen Tragekomfort bietet und achtet beim Kauf auf ein möglichst geringes Gewicht. Bequeme Polster braucht Marius Klettergurt nicht. Beim langen Gehen würden diese ihn eher behindern. Da Marius meist mit Rucksack unterwegs ist, freut er sich, dass die hinteren Materialschlaufen seines Klettergurtes flexibel sind. So entstehen auch auf langen Touren keine unangenehmen Druckstellen.

Marius kauft einen Sitzgurt mit laminierter Konstruktion oder reiner Bänderkonstruktion, drei Schnallen und vier Materialschlaufen. Optimalerweise sind die hinteren beiden Materialschlaufen flexibel.

DER PASSENDE KLETTERGURT FÜR DIE KÄLTE

Im Winter hatte Marianne stets Sehnsucht nach dem Klettern. Das einfache Training in der Halle war für sie kein wirklicher Trost. Als sie das Eisklettern für sich entdeckte, war sie direkt Feuer und Flamme. Seither klettert sie jeden Winter steile Eisfälle und auch Nordwände mit gemischtem Fels- und Eisterrain. Zudem sagt Marianne, sie „profitiere im Sommer beim Sportklettern von den Erfahrungen im Eisklettern und umgekehrt". Für das Eisklettern nutzt sie Klettergurte, die einen guten Kompromiss zwischen Hängekomfort und Bewegungsfreiheit bieten. Zudem legt sie großen Wert auf verstellbare Beinschlaufen, um auch bei mehrschichtiger Kleidung einen optimalen Sitz des Klettergurtes zu haben. Da Marianne beim Eisklettern neben den Expresssets auch Eisschrauben dabei hat, ist es wichtig, auch Eisschraubenclips sicher und gut erreichbar am Klettergurt befestigen zu können.

Marianne kauft einen 3D-Vent Sitzgurt mit drei Schnallen, vier Materialschlaufen und der Möglichkeit, Eisschraubenclips zu befestigen.

DER ALPINE KLETTERGURT

Felix ist ebenso passionierter wie ambitionierter Kletterer. In fast allen großen Klettergebieten der Welt hat er schon Hand an den Felsen gelegt. „Die eigene Grenze immer wieder neu ausloten", das ist sein Motto. Dabei nimmt er auch tiefe Stürze in alpinem Gebieten billigend in Kauf und klettert furchtlos über die Zwischensicherungen hinweg. Dadurch muss auch sein Material häufige Stürze gut wegstecken. Durch dieses Klettern an der Leistungsgrenze muss Felix Klettergurt ihm optimale Bewegungsfreiheit bieten. Auch der Hängekomfort sollte ausreichend sein und die Materialschlaufen  Platz für die teils recht umfangreiche Ausrüstung bieten. Felix ist auch bei kälterem Wetter noch im Alpinen unterwegs. Daher baut er auf semi-verstellbare Beinschlaufen, die auch über dickerer Kleidung perfekt sitzen.

Felix kauft einen Sitzgurt mit laminierter Konstruktion oder einen 3D-Vent Sitzgurt mit einer Schnalle, fixen oder semi-verstellbaren Beinschlaufen und vier Materialschlaufen.

WAS FÜR EINEN KLETTERGURT BENUTZT MAN BEIM KLETTERSTEIG?

Früher war Monika oft mit ihrer Familie in den Voralpen wandern. Dies wurde ihr und ihren Geschwistern jedoch irgendwann zu langweilig. Sie entdeckte das Klettersteiggehen für sich. Da sie über keinerlei Klettererfahrung verfügte, ließ sie sich bezüglich des Klettergurtes in einem Outdoor-Fachhandel eingehend beraten. Hier wurde ihr zu Klettergurten geraten, die einen hohen Tragekomfort haben und auch bei langem Gehen wenig scheuern. Man erklärte ihr, man dürfe ohnehin in einem Klettersteig „eigentlich nicht fallen" und dass Klettergurt und Klettersteigset nur für den „Notfall" bestimmt seien. Zudem riet man ihr, beim Klettern mit Rucksack zusätzlich einen Brustgurt zu verwenden.

Monika kauft einen Sitzgurt mit gepolsterter Bänderkonstruktion, drei Schnallen und vier Materialschlaufen. Selbstverständlich ist das Polster verschiebbar. Zusätzlich besorgt sie sich einen Brustgurt.

Ein Klettergurt ist nicht gleich ein Klettergurt – je nachdem, in welchem Terrain man sich bewegen möchte, sind die Anforderungen sehr unterschiedlich. Was es bei Klettergurten für Hochtouren, Eisklettern, Alpinklettern und Klettersteige zu beachten gilt, haben wir im ersten Teil des Artikels beschrieben. Doch worauf kommt es beim Sportklettern im Toprope, Vorstieg oder Wettkampf an? Und wie finde ich heraus, welche Größe ich beim Klettergurt brauche? Diese Fragen beantworten wir hier im zweiten Teil.

 

INDOOR- UND TOPROPE-KOMPATIBLE KLETTERGURTE

Vor einem Jahr feierte ein Kumpel von Daniel seinen Geburtstag in der Kletterhalle. Das Klettern im Toprope machte ihm und einigen seiner Freunde so viel Spaß, dass man sie nun regelmäßig in der Halle antrifft. Mittlerweile trauen sich einige von ihnen auch für erste Versuche in den Vorstieg. „Bewegungsfreiheit und kleines Gewicht bei trotzdem angenehmem Hängekomfort für das Ausprobieren von Routen", so muss der perfekte Klettergurt für sie beschaffen sein. Da sind sich Daniel und seine Freunde einig. Die Materialschlaufen brauchen sie allenfalls, um das Sicherungsgerät in Pausen zu befestigen. Da sich ihre Kletterkleidung das Jahr über auch wenig ändert, müssen die Beinschlaufen ihrer Klettergurte auch nicht verstellbar sein. Dies sei ohnehin „überflüssiges Gewicht" sagt Daniel.

Daniel kauft einen Klettergurt mit gepolsterter Bänderkonstruktion, einer Schnalle und zwei bis vier Materialschlaufen.

KLETTERGURTE FÜR WETTBEWERBE

Christoffer ist ein ambitionierter Sportkletterer und das gefühlt schon sein ganzes Leben lang. Er war lange in den Jugendgruppen des DAV aktiv, geht immer an seine Leistungsgrenze und eine Onsight- oder Rotpunktbegehung am persönlichen Limit ist für ihn das höchste der Gefühle. Um dies zu ermöglichen und auch in Wettkämpfen oben mitmischen zu können, ist sein Klettergurt so puristisch und leicht wie möglich. Eine gute Passform und maximale Bewegungsfreiheit im Klettergurt ermöglichen ihm auch, die akrobatischsten Züge zu meistern. Christoffer sagt selber über seinen Klettergurt, dass dieser wie „eine zweite Haut" praktisch gar nicht zu spüren ist. Da Christoffer maximal einige Expresses mit in die Route nimmt, können auch die Materialschlaufen auf das Wesentliche reduziert werden. Dadurch kann auch das letzte mögliche Gramm an Gewicht eingespart werden.

Christoffer kauft einen Sitzgurt mit tragendem Einfassband, ohne Schnallen und mit nur zwei seitlichen Materialschlaufen.

WIE ERKENNE ICH DIE RICHTIGE PASSFORM?

Sitzt, passt, wackelt, hat Luft. Bisher haben wir klären können, welcher Klettergurt mit welchen Elementen für den angedachten Einsatzbereich der richtige ist. Doch noch wichtiger ist die richtige Passform des Klettergurtes: Die meisten Klettergurte werden in verschiedenen Größen angeboten. Um herauszufinden, welche Größe der Klettergurt haben muss, sollten folgende Maße genommen werden:

  • der Hüftumfang,
  • der Oberschenkelumfang

bei Komplettgurten und Brustgurten zusätzlich

  • der Brustumfang und
  • die Rumpflänge

Hier einmal eine exemplarische Größentabelle für einen Klettergurt:

Diese Maße geben eine gute erste Indikation, welche Klettergurte aus dem Regal des Fachhandels man in Betracht ziehen sollte. Achtung: Die Größen unterscheiden sich selbstverständlich je nach Marke. Wie bei einem Kleidungsstück kommt es neben diesen Werten natürlich auch stark auf den Schnitt des Klettergurts an.

Ein perfekt sitzender Klettergurt ist so in der Taille fixiert, dass er nicht über die Hüfte hinweggeschoben werden kann. Dabei ist darauf zu achten, dass die Materialschlaufen zum Boden zeigen und die Einbindeschlaufe sowie die Beinschlaufen nicht verdreht sind. Wie der Gurt richtig angezogen wird, haben wir in den untenstehenden Illustrationen dargestellt.

Die meisten Hüftgurte sind so geschnitten, dass sie von Kletter*innen gleichermaßen verwendet werden können. Dennoch ist dies immer auch ein Kompromiss. Wir haben einige Gurte mit geschlechterspezifischer Form entwickelt, um eine noch bessere Passform zu erreichen. Unsere speziell für Frauen geschnittenen Klettergurte sind am Hüftband etwas mehr geschwungen. Zudem sind die Beinschlaufen im Verhältnis zum Hüftband etwas größer geschnitten und auch die Einbindeschlaufe etwas länger.

Für maximalen Hängekomfort sollten sowohl die Beinschlaufen als auch das Hüftband nicht zu eng und nicht zu weit sein. Daher sollte man beim Kauf von Klettergurten ohne verstellbare Beinschlaufen unbedingt auf einen perfekten Sitz achten. Zwischen die Beinschlaufen und den Oberschenkel sollte noch eine flache Hand passen, um die Bewegungsfreiheit nicht einzuschränken. Ebenso sollte zwischen Hüfte und Hüftband gerade so eine flache Hand passen.

Die meisten Fachgeschäfte ermöglichen es, einen Hängetest zu machen. Also einfach einmal verschiedene Klettergurte anziehen, einbinden und reinhängen. Der Klettergurt sollte nicht einschneiden und sich insgesamt angenehm an den Körper anschmiegen.