Diese langen textilen Verbindungen, die wir Seile nennen, haben in ihrer Evolution bereits einen langen Weg zurückgelegt. Wahrscheinlich seit der Mensch ernsthaft damit begonnen hat, seine umliegenden Berge zu besteigen, sind Seile eine der effizientesten Methoden, um die Gefahr des Absturzes zu vermeiden.

Von den Anfängen der handgefertigten Seile auf Naturfaserbasis, über die revolutionäre Einführung von synthetischen Fasern und deren erster Verwendung in Seilen in den 40er und 50er-Jahren bis hin zur Erfindung der Kernmantel-Konstruktion im Jahre 1953 durch EDELRID – Textilseile für alle Arten von Klettersport haben ein technisches Niveau erreicht, das es in der Praxis fast unmöglich macht, dass ein Seil durch Überlastung versagt.

Über die dringende Notwendigkeit, die Schnittfestigkeit von Seilen zu messen:

 

Die Motivation

Dennoch werden jedes Jahr Unfälle mit durchtrennten Seilen registriert und Personen beim Klettern verletzt oder verunfallen, bedingt durch die generelle Exposition unseres Sports, sogar tödlich. Die Frage ist also: Warum passiert das? Einer der ersten, der Unfälle mit durchtrennten Seilen dokumentiert und analysiert hat, war der Pionier der Sicherheitsforschung Pit Schubert in den 1960er-Jahren. Später setzte der Deutsche Alpenverein (DAV) seine Arbeit fort [1]. In der folgenden Statistik haben wir alle uns bekannten Unfälle, die durch abgetrennte Seile in einem Kletterszenario verursacht wurden, zusammengestellt. Sie beinhaltet die im Rahmen der DAV-Statistik und vom American Alpine Journal [2] dokumentierten Unfälle sowie andere EDELRID bekannte Vorfälle.

Seit 1963 kam es demnach zu 128 dokumentierten Unfällen (davon 43 tödlich). Einschließlich 2018 bedeutet dies durchschnittlich etwa zwei Unfälle pro Jahr. Die entscheidende Frage, die sich daraus ergibt, ist offensichtlich: Wodurch wurden diese Unfälle verursacht? Leider sind nicht alle Unfälle gut dokumentiert und die Ursachen sind nicht immer bekannt. Aber die verfügbaren Informationen weisen auf drei Hauptursachen hin:

Unfallursache Nr. 1 für das Versagen von Seilen sind scharfe Gegenstände. Diese Kategorie umfasst alles von scharfen Kanten (über 60 %) über scharfe Karabiner (ca. 17 %) bis hin zu scharfen Zähnen von Seilklemmen (10 %).
Aber wenn die größte Gefahr für heutige (und gestrige) Seile scharfe Gegenstände sind, warum haben die herstellenden Firmen dann nicht versucht, die Schnittfestigkeit ihrer Seile zu verbessern? Die Antwort ist recht einfach und gleichzeitig frustrierend: Weil es bisher keine zuverlässige Methode zur Messung der Schnittfestigkeit gab! Und wenn es keine Methode gibt, um zu messen, wie gut ein Seil eine Belastung über eine scharfe Kante aushält, wie kann man dann sagen, ob man genau dies erreicht hat?

Nun ist dies zugegebenermaßen keine neue Idee. Nachfolgend möchten wir einige Versuche aus der Vergangenheit beschreiben, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Schnittfestigkeit von Seilen zu messen.

2002: UIAA 108 – Scharfkantentest

Im Jahr 2002 hat die UIAA eine standardisierte Prüfmethode zur Identifizierung und Kennzeichnung von "schnittfesten Seilen" eingeführt. Die Prüfung basierte auf dem Standard-Falltest, der in der europäischen Norm für dynamische Seile EN 892 bzw. der UIAA 101 für dynamische Seile beschrieben ist. Der Aufbau ist nachfolgend dargestellt. Ein Gewicht (80 kg) wird im Testaufbau aus einer Höhe von 4,8 m geführt fallen gelassen. Es stehen 2,8 m Seil zur Verfügung, um den Sturz aufzufangen, was einen Sturzfaktor von etwa 1,7 ergibt. Der Sturz wird über eine relativ stumpfe Kante mit einem Radius von 5 mm (hier als Karabiner dargestellt) umgelenkt. Üblicherweise wird in diesem Versuchsaufbau ein dynamisches Seil auf seine dynamische Dehnung und seine Aufprallkraft (beides gemessen im ersten Fall) sowie auf seine maximale Anzahl von Stürzen bis zum Versagen geprüft [3].
Beim UIAA-Scharfkantentest wurde die Kante in diesem Testaufbau durch eine spezielle Kante ersetzt, die hauptsächlich messtechnisch definiert war. Der wichtigste Einflussfaktor war ein "scharfer" Radius von 0,75 mm. Der Test wurde dann mit dem gleichen Sturz durchgeführt, der in EN 892/ UIAA 101 festgelegt ist. Wenn das Seil mindestens einem Fall standhielt, konnte das Seil als "UIAA Sharp Edge Resistant" [4] bezeichnet werden.

Lange Rede, kurzer Sinn: Der Test wurde 2004 nach weniger als zwei Jahren wegen mangelnder Zuverlässigkeit ausgesetzt. Die Zuverlässigkeit ist die wichtigste Eigenschaft, die ein Test haben muss, um standardisiert zu werden. Die Testergebnisse müssen konsistent sein. Dies war bei diesem Test nicht der Fall und die Gründe dafür mögen einfach klingen, dennoch bestand weiterhin die allgemeine Herausforderung, einen standardisierten Test für die Schnittfestigkeit zu finden. Im Grunde genommen ist der Test aus zwei Gründen fehlgeschlagen:

 

  1. Eine Kante wird mit der Zeit stumpf. Das bedeutet, dass man nicht (mehr) feststellen kann, ob ein Testergebnis so gut/ schlecht ist, weil man ein gutes/ schlechtes Seil testet oder ob die Kante nicht/ noch scharf ist. Dies könnte teilweise dadurch gelöst werden, dass man das Material der Kante sehr genau spezifiziert und/ oder ein Referenzseil einführt, das bei einer minimalen Schärfe immer die gleichen Ergebnisse liefert. Beides wurde in der Norm jedoch nicht spezifiziert.
  2. Ein dynamischer Testaufbau wird nie zweimal den exakt gleichen Sturz erzeugen können. Ein dynamischer Testaufbau mag "realistischer" erscheinen, aber dies ist nicht das Hauptziel beim Versuch einen standardisierten Test durchzuführen. In diesem Fall ist es sehr wichtig, wie ein Seil über die Kante belastet wird, z. B. kann es bei dem einen Sturz etwas mehr seitlich über die Kante laufen als beim nächsten.

 

Was damals mit einer Marketinginitiative einer Bergsportmarke begann, erwies sich nach 2004 als genau das.

 

2004 - 2011: Weitere Vorschläge und Diskussionen

Nachdem der UIAA 108 Test ausgesetzt wurde, gab es eine Reihe von Vorschlägen und neue Diskussionen darüber, wie der Bedarf nach einer quantifizierbaren Methode zur Beurteilung der Schnittfestigkeit von Seilen gedeckt werden kann. Von der Arbeit von Blümel, Senner & Baier (2007) "Entwicklung einer Prüfung der Scharfkantfestigkeit von Bergseilen" über den vorgeschlagenen Traverse Edge Test (Scher-Test) von Radek Fáborský bis hin zu weiteren im UIAA-Ausschuss vorgeschlagenen statischen Prüfungen. Jeder einzelne Test kam schließlich nicht zu einem akzeptablen Niveau der Zuverlässigkeit und/ oder zu sinnvoll vergleichbaren Testergebnissen.

Letztlich bleiben die Bedeutung des Themas und die Notwendigkeit, die Schnittfestigkeit von Seilen zuverlässig zu quantifizieren und zu vergleichen, bestehen: Scharfe Gegenstände/ Kanten sind die größte Bedrohung für unsere Seile und stellen damit eine große Gefahr für unsere Sicherheit dar. Unsere Entscheidung, welches Seil wir heute verwenden oder kaufen, kann sich jedoch nur auf Herstellerangaben stützen, die uns im Grunde nichts über dieses wichtige Sicherheitsmerkmal verraten. Nach der Europäischen Norm für dynamische Seile EN 892 müssen Herstellerfirmen die folgenden Angaben über die Leistungsfähigkeit ihres Produktes machen:

  1. Seiltyp: Einfachseil, Halbseil, Zwillingsseil
  2. Durchmesser
  3. Metergewicht
  4. Sturzzahl
  5. Statische Dehnung
  6. Dynamische Dehnung
  7. Fangstoß
  8. Mantelanteil
  9. Mantelverschiebung

Einige der zur Verfügung gestellten Daten helfen dabei, das richtige Seil für das jeweilige Vorhaben zu finden. Das Gewicht zum Beispiel kann natürlich entscheidend sein. Aber was sagt es über die Sicherheit eines Seils aus? Gar nichts! Die einzige Eigenschaft, über die man streiten könnte, ist die Anzahl der Stürze. Seit 1963 wurde jedoch noch nie ein Unfall registriert, bei dem ein Seil aufgrund zu vieler Sturzeinträge versagte. Das liegt natürlich auch daran, dass die gemessenen Sturzbelastungen Beanspruchungen entsprechen, die in einer realen Situation nie auftreten. Man könnte die Fallzahl daher als ein gutes Maß zur Unterscheidung eines statischen Seiles von einem dynamischen Seil sehen – mehr nicht ...
Wenn wir einen Weg finden könnten, die Schnittfestigkeit von Seilen zu messen, könnten wir vielleicht eine Eigenschaft von Seilen beschreiben, die für die Sicherheit tatsächlich von Bedeutung ist!

Je dicker, desto besser?

 

Stellen wir uns zwei hypothetische Situationen vor:

Situation 1: Du bist mit einem Freund und einer Freundin auf einer Gletschertour unterwegs und ihr verwendet dabei ein 10,0 mm Einfachseil. Ihr erreicht eine Stelle, an der ihr euch für einige Meter über felsiges Gelände abseilen müsst und dabei euer Seil möglicherweise einigen scharfen Felskanten aussetzt. Um Zeit zu sparen, beschließt ihr, zwei Personen gleichzeitig abzulassen und danach seilt sich die dritte Person selbst ab. Einige Minuten später baumelst du zu zweit mit deinem*r Seilpartner*in 10 Meter über dem Boden in der Luft und hängst frei am 10,0 mm Einfachseil.

 

Situation 2: Du bist mit deinen deinem Freund und deiner Freundin auf derselben Tour. Nur dieses Mal habt ihr euch entschieden, mit leichtem Gepäck zu gehen und ein dreifach zertifiziertes 8,9 mm Einfachseil mitzunehmen. Ihr erreicht wieder die Abseilstelle, entscheidet euch aber diesmal, zwei Personen einzeln nacheinander abzulassen, anschließend seilt sich die dritte Person selbst ab. Wiederum ein paar Minuten später hängst du alleine 10 m über dem Boden in der Luft am 8,9 mm Einfachseil.

Nun die interessante Frage: In welcher der beiden Situationen hat man bei der Vorstellung dieser Szenarien das sicherere Bauchgefühl?
Nachdem ich einigen Leuten diese Situationen geschildert und anschließend diese Frage gestellt habe, kann ich aus meiner Erfahrung berichten, dass die meisten Leute inklusive mir selbst die erste Situation gewählt hätten. Aber welches dieser Szenarien ist objektiv sicherer?

 

Motivation

Das erste Szenario baut tatsächlich auf einem realen Unfall auf, der sich 2015 während einer Ausbildung des Schweizer Bergführerverbandes ereignet hat. Dabei wurden zwei Personen gleichzeitig an einem 8,7 mm Einfachseil abgelassen. Das belastete Seil wurde durchtrennt, nachdem es an einer Felskante einige Zentimeter zur Seite gerutscht war. Die beiden jungen Bergsteiger überlebten den Sturz glücklicherweise. Allerdings löste dieser Vorfall eine größere verbandsübergreifende Diskussion aus, die auf der emotional verständlichen Forderung basierte, künftig dickere Seile zu verwenden. Wir bei EDELRID durften daran teilnehmen und dies gab den eigentlichen Startschuss, uns tiefer mit dieser Thematik zu beschäftigen. Nach weiteren fünf Jahren haben wir es nun geschafft, eine reproduzierbare Testmethode zu entwickeln und können uns mit dieser speziellen Angelegenheit genauer befassen.

Gegenstand der Forschung

In diesem Artikel wollen wir folgender Frage nachgehen:

Welche Faktoren bzw. Kombination von Faktoren haben den größeren Einfluss auf die Schnittfestigkeit von Seilen?

  • dicker Seildurchmesser (z. B. 10,0 mm) bei hohem Gewicht (z. B. 160 kg = zwei Personen)
  • dünner Seildurchmesser (z. B. 8,9 mm) bei niedrigem Gewicht (z. B. 80 kg = eine Person)

 

Mit den Ergebnissen aus den Tests können wir zu den oben in der Einleitung beschriebenen Situationen zurückkehren und die Frage beantworten: Welches der beiden Szenarien ist objektiv sicherer?
Zur Erinnerung: Im größeren Zusammenhang dieser Serie versuchen wir herauszufinden, was die Schnittfestigkeit von Seilen beeinflusst und in welchem Umfang. Die Resultate aus den Tests werden uns einige Hinweise darüber geben, ob und wie stark sich Seildurchmesser und Belastung bzw. Gewicht innerhalb eines Seilsystems auf die Schnittfestigkeit auswirken. 

 

Test Aufbau

Ergebnisse

Im Folgenden die zusammengefassten Ergebnisse der fünf verschiedenen Testaufbauten:

Die Ergebnisse weisen bereits auf einige sehr interessante Punkte hin. Betrachten wir die durchschnittlichen Schnittlängen der beiden verschiedenen EDELRID Seile Swift Eco Dry 8,9 mm und Python 10,0 mm. Beide wurden jeweils mit 80 kg belastet, um den Lasteintrag durch eine einzelne Person zu simulieren. Die Testergebnisse zeigen, dass das 10,0 mm Seil einen höheren Wert erreicht als das 8,9 mm Seil (22,7 % höher). Das EDELRID Swift Protect Pro Dry 8,9 mm weist trotz seines geringen Durchmessers durch eine besondere Materialzusammensetzung in Verbindung mit einer optimierten Flechtkonstruktion bei einer Belastung mit 80 kg eine wesentlich höhere Schnittlänge auf als die beiden anderen Seile.

Wird die Belastung nun auf 160 kg erhöht, was dem Gewicht von zwei Personen entspricht, zeigt sich ein dramatischer Rückgang der Schnittlänge bei beiden Seilen (-77,2 % für das 8,9 mm Seil und -78,4 % für das 10,0 mm Seil). Außerdem wird deutlich, dass bei einer Belastung von 160 kg der Unterschied der Schnittlängen bei den beiden Seildurchmessern nur noch 16,4 % beträgt.

 

Anmerkungen zu den Ergebnissen

Bei den Ergebnissen gilt es stets zu beachten, dass es sich um Laborergebnisse handelt, die auf einer speziellen Testanlage gemessen wurden. Diese wurde explizit dafür entwickelt und gebaut, zuverlässige, reproduzierbare und damit vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Ähnlich wie die Anzahl der Normstürze, die in den technischen Daten eines dynamischen Seils angegeben ist, können mit den Ergebnissen dieses Tests keine direkten Rückschlüsse auf die speziellen Praxisszenarien gezogen werden. Die von uns konzipierte Maschine, an der wir die Schnittfestigkeit testen, erzielt jedoch Ergebnisse mit einer Reproduzierbarkeit und Zuverlässigkeit, die unseres Wissens nach noch nie erreicht wurde und ist daher der beste Weg, um Hinweise auf sicherheitsrelevante Fragen zu erhalten und verschiedene Geflechte auf ihre Charakteristika hinsichtlich Schnittfestigkeit zu untersuchen.

 

Interpretation

Vergleicht man nur die Ergebnisse des 8,9 mm Seils und des 10,0 mm Seils bei einer Belastung von 80 kg, könnte man zunächst vermuten, was man intuitiv erwartet: Ein größerer Durchmesser bietet mehr Sicherheit in Bezug auf die Schnittfestigkeit eines Seils.

Ohne zunächst auf unseren zweiten zu untersuchenden Parameter (Gewicht) im Detail einzugehen, können wir hier bereits das Ergebnis für ein neues und speziell auf Schnittfestigkeit abgestimmtes Seil sehen - das Swift Protect Pro Dry 8,9 mm: Es weist eine deutlich höhere Schnittfestigkeit auf als die beiden anderen Seile. Allein dies beweist allerdings auch, dass der Parameter Durchmesser für sich genommen leider kein guter Indikator für die Beurteilung der Gesamtsicherheit eines Seilsystems hinsichtlich der Schnittfestigkeit sein kann. Konstruktive Unterschiede, die Anwender*innen häufig nicht einschätzen können, machen es unter Umständen möglich, dass dicker nicht unbedingt sicherer heißt.

Aber zurück zu unserem ursprünglichen Forschungsziel, den Einfluss des Durchmessers mit dem Einfluss des Gewichts zu vergleichen. Mit den Ergebnissen aus den Tests der beiden Seildurchmesser bei jeweils 80 kg und 160 kg können wir nun die beiden in der Einleitung beschriebenen Szenarien einordnen:

Vergleichen wir die zwei Seilsysteme, ein System mit einem kleinen Durchmesser von 8,9 mm, das mit nur 80 kg (eine Person) belastet wird und ein System mit einem 10,0 mm Seil, aber mit 160 kg Belastung, so erhalten wir ein sehr interessantes und offensichtliches Ergebnis:

Das erste System in diesem Beispiel ist den Testergebnissen zufolge 3,8-mal schnittfester (Achtung: Dies ist kein 1:1 Praxisbezug)! Es scheint also, dass die Belastung, also das Gewicht, in einem Seilsystem viel entscheidender ist als der verwendete Seildurchmesser. Mit einem größeren Durchmesser kann man die Gesamtsicherheit bezüglich der Schnittfestigkeit des Systems also nur eventuell erhöhen, sofern das Gewicht gleich bleibt. Sobald das Gewicht deutlich erhöht wird, steigert eine Änderung des Durchmessers die Gesamtsicherheit nicht signifikant.

 

Zusammenfassung

Die allgemeine Schlussfolgerung ist einfach und ziemlich offensichtlich. Um die Gesamtsicherheit hinsichtlich der Schnittfestigkeit eines Seilsystems zu erhöhen, sollte man versuchen, das Gewicht, das innerhalb des Systems aufgebracht wird, zu reduzieren, bevor man nach anderen Lösungen sucht! Beispiele hierfür sind das Ablassen oder Abseilen von jeweils nur einer Person, die Verwendung von Doppelseiltechniken zur Verringerung der Seilreibung oder die dynamische Sicherung der kletternden Person zur Verringerung der Aufprallkraft im Falle eines Sturzes.

Dieser Test weist auch auf einen Faktor hin, der in zukünftigen Artikeln ausgearbeitet wird: Der Durchmesser allein erhöht nur bei einer ähnlichen Konstruktion und Materialzusammensetzung des Seils die Schnittfestigkeit. Da der*die Benutzer*in die jeweilige Seilkonstruktion in der Regel nicht eigenständig beurteilen kann, sollte der Durchmesser (allein) also keine Eigenschaft sein, auf die man sich bei der Beurteilung der Schnittfestigkeit eines Seilsystems verlässt.

Andere Seileigenschaften und deren Einfluss auf die Schnittfestigkeit

In der vorherigen Folge dieser kleinen Serie über Schnittfestigkeit haben wir gelernt, dass der Durchmesser allein keine verlässliche Auskunft darüber gibt, wie schnittfest ein Seil ist. Nun stellt sich die Frage: Geben andere Informationen, die mit einem Seil geliefert werden, einen nützlichen Hinweis auf dessen Schnittfestigkeit? Denn wie sonst kann ein*e Anwender*in die eigene Ausrüstung sachkundig auswählen, um dem nachweislich großen Risiko eines Seilversagens zu entgegnen? In dieser Folge gehen wir anderen Seileigenschaften auf den Grund und prüfen, ob diese einen Rückschluss auf die Schnittfestigkeit eines Seils zulassen.

Wenn wir hier keine Antworten finden, bedeutet das zweierlei: Zum einen wäre die erste Erkenntnis, dass die unterschiedliche Schnittfestigkeit von Seilen dann durch verschiedene Seilkonstruktionen verursacht wird, die ein Benutzer unmöglich im Detail erkennen kann. Zudem würde dieses Ergebnis die Notwendigkeit eines geeigneten Tests zur Schnittfestigkeit unterstreichen. Der Test sollte es ermöglichen, die Schnittfestigkeit reproduzierbar zu messen und den*die Anwender*in verlässlich zu informieren.