Was ist neu? Die Tabelle 2 zur Einstufung der Gefährlichkeit von Substanzen für textile PSA ist aktualisiert und erweitert.

Bei der Lagerung, dem Transport und der Nutzung kann persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) mit chemischen Substanzen in Kontakt kommen. Beim Transport ist beispielsweise das Auto, ein Ort, wo Zusatzbatterien, Motoröl oder Adblue und PSAgA nahe zusammenkommen. Beim Einsatz im Industrieklettern ist der Kontakt mit chemischen Substanzen während der Nutzung, beispielsweise bei der Reinigung von speziellen Anlagen oder beim Baumklettern bei der Handhabung mit motorgetriebenen Hilfsmitteln ein Thema. Dabei sind besonders Kunststoffe von der Schädigung durch chemische Einflüsse betroffen. Sie sind weit anfälliger gegenüber diesen als Metalle. Wir wollen der Frage nachgehen, wie Chemikalien auf textile PSAgA wirken und welche Substanzen als besonders kritisch zu bewerten sind.

CHEMISCHE SCHÄDIGUNG VON TEXTILER PSA

Hintergrund

Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Wirkungen von Chemikalien auf Textilen:

  • Chemische Wirkung: Hierbei reagiert die Chemikalie mit dem Kunststoff und bewirkt eine Abbaureaktionen oder eine Veränderung der molekularen Struktur. Man kann es sich so vorstellen, dass die Moleküle der Chemikalie zwischen die einzelnen Kettenglieder des Kunststoffes diffundieren und die dort vorhandenen Bindungen aufweichen oder zersetzen. Bei einer chemischen Wirkung zwischen Kunststoff und Medium können schon geringfügige Mengen zu ausgeprägten Änderungen der mechanischen Eigenschaften führen.

  • Physikalische Wirkung: Dieses Medium reagiert nicht chemisch mit dem Kunststoff, führt jedoch zu einer physikalischen Änderung seiner Eigenschaften. Dies kann sich z.B. in einer Veränderung der Oberflächenbeschaffenheit und damit der Reibungswerte, einer Versteifung des Textils oder einer Quellung oder Verfärbung des kontaminierten Bereiches äußern. Die Veränderung, welche durch eine physikalische Wirkung des Mediums entstehen sind zum Teil reversibel und können durch ein Auswaschen der Chemikalie rückgängig gemacht werden.

 

Für textile PSA kommen vor allem drei Materialien zum Einsatz: Polyamid (PA), Polyester, genauer gesagt Polyethylenterephthalat (PET) und ultrahochmolekulares Polyethylen (HMPE), auch unter dem Handelsnamen Dyneema bekannt. Substanzen, welche eine Eigenschaftsveränderungen von Kunststoffen herbeiführen, kann man in Säuren, Basen, Lösungsmittel, Salze und Oxidationsmittel unterteilen. Durch die Ermittlung des pH-Wertes der Chemikalie kann eine erste grobe Einschätzung über eine mögliche Schädigung erlangt werden. Hierbei gilt eine Substanz als neutral bei einem pH-Wert von 7, welcher dem von Wasser entspricht.   Umso geringer der pH-Wert, desto saurer und umso höher, desto basischer ist die Substanz. In Tabelle 1 sind die pH-Grenzwerte, ab wann eine Säure oder Base für den Kunststoff gefährdend wirken kann aufgeführt.

In der Tabelle lässt sich erkenne, das starke Säuren und Basen, insbesondere für Polyamid, eine schädigende Wirkung haben.

Im Allgemeinen gibt es viele Informationen über die Beständigkeit bestimmter Kunststoffe gegenüber bestimmten Chemikalien. Unsere Motivation, eigene Testreihen zu veröffentlichen, besteht darin, Ergebnisse über den Kontakt von textiler PSAgA mit praxisrelevanten Gebrauchsmitteln zu veröffentlichen, da die Wirkung von Mischsubstanzen nicht gut erforscht ist. Die PSA-Anwender sollen sensibilisiert werden, welche praxisrelevanten Gebrauchsstoffe kritisch sind und deshalb besonders beachtet werden müssen.

Methode: Wie haben wir getestet?

Kontamination ist nicht gleich Kontamination. Der Einfluss von Chemikalien auf textile PSAgA hängt von vielen Faktoren ab. Zum einen hängt die chemische Wirkung vom Textil selbst ab. Das heißt, von der genauen Materialzusammensetzung und der Konstruktion des Textils. Zum anderen wird die Wirkung der Chemikalie von den äußeren Bedingungen beeinflusst, wie der Art der Kontamination, der Temperatur oder der Expositionszeit. Für unseren Test haben wir ein Worst-Case-Szenario definiert, mit dem wir die Wirkung auf textile PSAgA untersuchen. Die genauen Testparameter sind unten aufgeführt:

  • Kontaminationsart: Es gibt in der Praxis viele Arten, wie die Chemikalie in Kontakt mit PSAgA kommen kann. Von der Benetzung durch Dampf bis hin zum Tränken des Materials in der Substanz kann alles geschehen und dementsprechend unterscheidet sich auch die Intensität der Kontamination. Wir kontaminieren die Proben in einem Tauchbad um eine Diffusion der Chemikalie in die inneren textilen Strukturen zu gewährleisten.
  • Expositions- und Einwirkzeit: Die Expositionszeit beschreibt die Zeit, in welcher das Textil in direktem Kontakt mit der Chemikalie steht. Wir haben eine Dauer von mindestens 24 Stunden festgelegt. Die Einwirkzeit bestimmt, wie lange die Chemikalie nach der direkten Kontamination Zeit hat zu trocknen und mit dem Material zu reagieren. Hier wurde ein Zeitraum von mindestens 24 Stunden in der Klimakammer angelegt.
  • Kontaminations- und Trockentemperatur: Die Temperatur ist ausschlaggebend für die Reaktivität vieler Chemikalien, da durch eine erhöhte Temperatur die molekularen Strukturen beweglicher sind. Hierdurch wird die Diffusionsfähigkeit der Chemikalie in das Material maßgeblich beeinflusst, weswegen die chemische Beständigkeit der Kunststoffe nur für den angegebenen Temperaturbereich gelten. Wir haben uns für eine Kontamination und Trocknung bei Raumtemperatur, also 23 +- 2°C und einer Luftfeuchtigkeit von 50% entschieden, was einer Konditionierung nach Norm entspricht.
  • Nach dem Expositions- und Einwirkungszyklus mit der Substanz wurde in einem Zugversuch nach EN 565 die maximale Zugkraft der Proben bestimmt und mit den Ausgangswerten verglichen. Außerdem wurden die Proben auf Veränderungen der physikalischen Eigenschaften untersucht.

 

Die Ergebnisse der Kontaminationsversuche

Die Ergebnisse in Tabelle 2 bezieht sich auf die chemische Beständigkeit der textilen Materialien bei den unterschiedlichen Substanzen bei Raumtemperatur. Hierbei wird je nach Festigkeitsverlust die Gefährlichkeit des Stoffes in drei Kategorien unterteilt: 

  • Grün, beständig: Nach dem Kontaminationstest wurde keine Verminderung der Festigkeit des Textils festgestellt.
     
  • Orange, bedingt beständig: Das Textil verliert durch die Kontamination geringfügig (weniger als 10 %) an Festigkeit. Nach längerer Einwirkzeit (> 24 h) ist mit einem deutlichen Festigkeitsverlust zu rechnen. 
     
  • Rot, unbeständig: Das Textil verliert nach kurzer Zeit seine Festigkeit. Es findet ein starker Angriff statt, der zur vollständigen Zerstörung des Textils mit sehr geringen Zugfestigkeiten führt.

 

Beobachtungen von Veränderungen der physikalischen Eigenschaften sind in einer eigenen Spalte beschrieben.

Tabelle 2: Einstufung der Gefährlichkeit von gewissen Gebrauchsmittel für textile PSA.

Legende: - kein erkennbarer Effekt | *Wert wurde nicht vermerkt | **Wegen des PA-Anteils | ***Expositionszeit 10 Sekunden

Beachte: Die Tabelle ist eine Auflistung von besonders kritisch zu bewertenden Stoffen und stellt keine Freigabe von grün oder orange bewerteten Stoffen dar!

Wir sind bestrebt, die Tabelle schrittweise zu erweitern, um die Liste der Gebrauchsgegenstände, die mit PSAgA in Kontakt kommen können, und deren chemische Wirkung auf PSAgA zu vervollständigen.

Vorsicht beim Einordnen der Auswirkung von Substanzen:

  • Auch der physikalische Einfluss von Chemikalien kann großen Einfluss auf deren Haltbarkeit haben, wie bei einer Kontamination einer Kern-Mantel-Konstruktion. Es kann durch das Eindringen der Chemikalie ins Mantelgeflecht, jedoch nicht ins Kerngeflecht, eine Versteifung des Mantels erfolgen. Diese Versteifung kann zu einer Verschiebung des Mantels gegenüber dem Kern bei einer mechanischen Belastung oder zu einem frühzeitigen Bruch des Mantels beim Sturz über eine Kante führen.

  • Vorsicht bei unterschiedlicher Anfälligkeit von Materialien! Bei den Materialangabe von   Herstellern handelt es sich um den Hauptbestandteil des Textils. Z. B. Dyneema Schlingen bestehen zu einem gewissen Teil aus Polyamid, wodurch ein Versagen des Textilverbundes erfolgen kann, ohne dass das Dyneema angegriffen wurde. Solange die genaue Materialzusammensetzung nicht bekannt ist, ist PSAgA nach einer chemischen Kontamination mit einer rot markierten Substanz auszusondern.

 

Fazit

Tabelle 2 ist eine Auflistung von besonders kritisch zu bewertenden Stoffen und stellt keine Freigabe von grün oder orange bewerteten Stoffen dar. Generell sollte der Kontakt von PSAgA mit Chemikalien aller Art möglichst vermieden werden, da die Zusammenhänge komplex und nicht einfach abzuschätzen sind. Deshalb sollten insbesondere textile PSA auf Verfärbungen unbekannter Herkunft oder auf Stellen mit ungewöhnlicher Haptik kontrolliert und im Zweifelsfall entsorgt werden. Die Lagerung von PSAgA sollte immer getrennt von Flüssigkeiten oder Chemikalien erfolgen.

 

Literaturverzeichnis

Koller, S.: Säureeinfluss auf Textilmaterial im Bergsport und deren Nachweisbarkeit. Bachelorarbeit. Universität Salzburg, Salzburg.

Polytron - Kunststofftechnik GmbH & Co. KG (2011): Chemikalienbeständigkeit. Online verfügbar >