Haftungsausschluss

  • Dieser Artikel stellt keine Anleitung für die Durchführung von Lead Rope Solo (LRS) dar.
  • Dieser Artikel ist keine Gebrauchsanleitung für EDELRID-Produkte in einer LRS-Anwendung.
  • Dieser Artikel soll aufzeigen, warum Hersteller von Sicherungsgeräten, die den einschlägigen Bergsteiger-Normen entsprechen, die Verwendung dieser Geräte für LRS nicht zulassen können.
  • Außerdem soll aufgezeigt werden, wie eine Aktivität wie das LRS-Klettern anhand einer Risikoanalyse bewertet werden kann, wie sie im Vergleich zum klassischen Seilschaftsklettern abschneidet, welche Gegenmaßnahmen für die identifizierten Risiken ergriffen werden könnten, welche maximale Wirksamkeit diese Gegenmaßnahmen erreichen könnten und welches Restrisiko sich auch nach Ergreifen aller Gegenmaßnahmen ergibt.

Klettern, auch das gesicherte Klettern in einer Seilschaft, birgt immer Risiken, die größer sind als das Restrisiko unseres Alltags und vieler anderer Sportarten. Die Höhe, in der man klettert, ist dabei die Hauptgefahr. Aufgabe der Sicherungskette ist es, das Restrisiko der ausgeübten Tätigkeit auf ein gesellschaftlich und/oder persönlich akzeptables Maß zu reduzieren. Ein Fehler in der Sicherungskette kann jedoch immer noch das potenziell tödliche Risiko eines Sturzes verursachen.

Die meisten Risiken, Reduktionsmaßnahmen und Restrisiken gelten für das LRS-Klettern in gleicher Weise wie für das Seilschaftsklettern. Im Gegensatz zum Seilschaftsklettern weist das LRS-Klettern jedoch einige zusätzliche Risiken auf. Um diesen Risiken adäquat begegnen zu können, müssen sie zunächst identifiziert und quantifiziert werden. Anschließend können Maßnahmen definiert werden, die geeignet sind, diese Risiken zu reduzieren. Sind die Maßnahmen ergriffen, muss das Risiko erneut untersucht und bewertet werden, um die Wirksamkeit der Maßnahmen festzustellen. Das Restrisiko ergibt sich aus dem Ausgangsrisiko und der Wirksamkeit der Maßnahme.

Hersteller von Bergsportausrüstungen können nicht verhindern oder gesetzlich verbieten, dass ihre Geräte für andere als die vorgesehenen Zwecke verwendet werden. Die Benutzer müssen sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die Hersteller nicht für den Ausfall oder die Fehlfunktion ihrer Geräte bei anderen, als den vorgesehenen Anwendungen haftbar gemacht werden können. Die Entscheidung, das Gerät für andere, als die vom Hersteller vorgesehenen Zwecke zu verwenden und die damit verbundenen Risiken zu tragen, liegt allein in der Verantwortung des Benutzers.

Um das Seilschaftsklettern und das LRS in Bezug auf das Risiko vergleichen zu können, wird zunächst die aktuell gängige Praxis des LeadRopeSolo beschrieben:

Das Seil wird an einem Haken oder Standplatz befestigt. Das Sicherungsgerät wird in das Seil eingelegt und am Klettergurt der kletternden Person befestigt. Das andere Ende des Seils wird als Backup am Gurt der kletternden Person befestigt. Vor dem Sicherungsgerät werden eine oder mehrere Cache-Loops gebildet, um das Seil effizienter durch das Gerät ziehen zu können. Während des Kletterns führt die kletternde Person das Seil manuell durch das Sicherungsgerät oder bewegt sich, um das Seil durch das Gerät zu ziehen.

Im Falle eines Sturzes hofft man, dass der Impuls ausreicht, um den Sicherungsmechanismus des Geräts zu aktivieren und den Sturz zu stoppen.

Im Folgenden werden die Faktoren aufgeführt, die sich in Bezug auf das Risiko vom Klettern in Seilschaften unterscheiden:

  • Der erste und offensichtlichste Unterschied zum traditionellen Klettern ist die Tatsache, dass die kletternde Person beim LRS-Klettern in der Regel allein am Fels oder in der Route ist.
  • Das daraus resultierende Fehlen einer Rettungslösung und Rettungskette stellt ein Risiko dar, das beim Seilklettern deutlich geringer ist.
  • Im Gegensatz zum Seilklettern ist das Seil beim LRS-Klettern nicht an der kletternden Person, sondern an einem Haken oder Standplatz befestigt.
  • Das Sicherungsgerät muss so am Gurt befestigt werden, dass eine ungünstige Belastung des Karabiners unter allen Umständen ausgeschlossen ist, da die Kräfte größer sein können als beim traditionellen Sichern und die kletternde Person die Position des Geräts nicht überwachen kann.
  • Im Falle eines Sturzes in der Nähe des Standplatzes ist nur wenig Seil im System, und der Fangstoß kann aufgrund der fehlenden Körperdynamik der sichernden Person sehr hoch sein.
  • Das Sicherungsgerät, das normalerweise von der sichernden Person mit hoffentlich 100-prozentiger Aufmerksamkeit bedient wird, muss seine Aufgabe nun unabhängig und ohne Bremshand am Seil erfüllen.
  • Schließlich besteht die zusätzliche Gefahr, dass durch das Gewicht des Seils unbemerkt überschüssiges Schlappseil in das System eingezogen wird, wodurch am Standplatz eine Schlappseilschlaufe und im Falle eines Sturzes ein unerwartet großes Sturzpotenzial entsteht.

Neben den bekannten Risiken beim Vorstiegsklettern sind beim LRS also folgende Risiken zu nennen:

  1. Allein sein
  2. Fehlen einer Rettungslösung und einer Rettungskette
  3. Anbringen des Seils am Fixpunkt
  4. Anbringen des Sicherungsgeräts am Gurt
  5. Funktion des Sicherungsgeräts
  6. Hohe Fangstoßkräfte
  7. Zurücklaufen des Seils/Schlappseil

Diese Risiken werden in den folgenden 7 Kapiteln betrachtet und bewertet. Gegenmaßnahmen werden vorgestellt und ebenfalls bewertet. Anschließend wird das verbleibende Restrisiko bewertet.

  • 7. Seilrücklauf/ Schlappseil

    Ab etwa 20 m senkrechter Entfernung vom Standplatz beginnt das Seilgewicht im System, zusätzliches Seil durch das Sicherungsgerät zu ziehen. Dadurch kann sich am Standplatz eine mehrere Meter große Seilschlaufe bilden. Wenn kein Sichtkontakt zum Stand besteht oder die kletternde Person unaufmerksam ist, erhöht sich die potenzielle Sturzdistanz um diese Seilmenge. Befindet sich die kletternde Person oberhalb eines Felsvorsprungs oder in gestuftem Gelände, kann dieses zusätzliche Seil im Falle eines Sturzes eine Kollision mit einem Hindernis oder zumindest einen ungeplanten langen Sturz verursachen. Brüche von Gliedmaßen, Bänder- und Sehnenverletzungen oder schwerere Verletzungen können die Folge sein. Schlappseil im System kann auch dazu führen, dass sich das Seil vom geplanten Verlauf entfernt und sich an scharfen Strukturen verfängt. Im Falle eines Sturzes kann dies zu einer Beschädigung des Seils bis hin zum Riss führen, was einen potenziell tödlichen Sturz zur Folge haben kann. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Seilschlaufe bildet, sehr hoch. Die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schadensausmaß sind daher beträchtlich, so dass das Risiko sehr hoch ist.

    Gegenmaßnahmen:
    Das Seil kann in den Zwischensicherungen mit einem Mastwurf oder einem Halbmastwurf befestigt werden. Vorteil: keine zusätzliche Ausrüstung erforderlich. Nachteil: Die Verwendung eines Mastwurfs kann den Fangstoß erhöhen.

    Alternativ kann das Seil auch mit einem elastischen Prusik gegen Schlappseil gesichert werden. Vorteil: Selbst gemacht, zuverlässig. Nachteil: Kompliziert mit einer Hand zu befestigen.

    Elastische Schlaufen, die über die Karabiner und dann nach dem Einhängen auf das Seil gezogen werden, verhindern ebenfalls ein Zurücklaufen. Vorteil: einfach zu bedienen, klein und leicht, kann selbst angefertigt werden. Nachteil: Sie halten das Seil nicht unbegrenzt fest, Wind oder zu hohes Seilgewicht können die Klemmwirkung überwinden.

    Einige kleinere Händler bieten online spezielle Karabinereinsätze zum Kauf an. Vorteil: sehr einfach in der Anwendung und zuverlässig. Nachteil: müssen gekauft oder zu Hause ausgedruckt werden.

    Verbleibendes Risiko:Alle diese Maßnahmen sind hochwirksam. Bei richtiger Anwendung kann die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Seilschlaufe bildet, auf Null reduziert werden. Daher ist dieses Risiko bei der Anwendung von Reduktionsmaßnahmen sehr gering.

  • 6. Hohe Fangstoßkräfte

    Bei der Partnersicherung ist das Sicherungsgerät normalerweise am Gurt der sichernden Person befestigt. Im Falle eines Sturzes absorbieren viele Komponenten der Sicherungskette einen Teil der Sturzenergie: Das Seil dehnt sich, das Seil läuft durch das System, die Reibung an den Karabinern und allen Oberflächen wandelt die Energie in Wärme um, die Gurte werden komprimiert, und die Körper der Personen wandeln die Energie in Verformung um.

    Ein wichtiger Faktor ist die Beschleunigung der sichernden Person in Richtung des Sturzzugs. Bei einem LRS-System ist das Ende des Seils an einem Anschlagpunkt befestigt, und das Seil läuft durch das Sicherungsgerät am Gurt der kletternden Person. Somit fehlt ein wichtiges energieabsorbierendes Element, nämlich die Beschleunigung der sichernden Person. Je später in einer Seillänge die kletternde Person stürzt, desto mehr Seil befindet sich im System, desto kleiner ist der Sturzfaktor (Sturzhöhe geteilt durch die ausgegebene Seillänge), und desto mehr Energie kann das Seil umwandeln. Mit 25 m oder mehr Seil im System, unterscheidet sich auch ein längerer Sturz von mehreren Metern gefühlt kaum von einem typischen Sportklettersturz.

    In der Nähe des Standplatzes und vor allem vor dem Einhängen der ersten Zwischensicherung (in einer Mehrseillängenroute) ist der Sturzfaktor jedoch sehr hoch, das Seil kann nur wenig Energie aufnehmen, und der Sturz wird sehr hart. In ungünstigen Sturzpositionen (seitwärts, rückwärts, kopfüber usw.) kann ein Fangstoß von ca. 4 kN (abhängig vom Gewicht des/der Kletternden) schwere innere Verletzungen und Wirbelsäulenverletzungen verursachen. In der Nähe des Standplatzes muss die Wahrscheinlichkeit dieses Effekts auf 100% gesetzt werden, weshalb das Risiko zunächst als extrem hoch eingeschätzt wird.

    Wir haben mehrere Tests durchgeführt, bei denen der Abstand zum Anschlagpunkt, die Menge des Seils im System, die Sicherungsmethode und das Sicherungsgerät variiert wurden. Erwartungsgemäß waren die Fangstoßkräfte am höchsten bei wenig Seil im System, reibungsarmen Situationen ohne Umlenkungen in den Zwischensicherungen und einem halbautomatischen Sicherungsgerät ohne Seildurchlauf.

    Bei 10 m Seil, 6 m freiem Fall, einer 80 kg schweren Person und einem Seil, das sowohl am Anschlagpunkt als auch an der kletternden Person befestigt ist, wurden Fangstoßkräfte von knapp 4 kN auf die fallende Person gemessen. Im Worst-Case-Szenario, dem Faktor-2-Sturz in den Fiypunkt, tritt jedoch häufig ein zusätzlicher Effekt auf: Viele der heute verwendeten halbautomatischen Sicherungsgeräte, die für LRS verwendet werden, haben eine gefühlte Blockierfunktion. In den Kraftbereichen von Alltagsbelastungen ist diese Überlegung richtig. In den Kraftbereichen, die bei dem beschriebenen Faktor-2-Sturz auftreten, ermöglichen jedoch die meisten Geräte einen geringen Seildurchlauf.

    Der Durchlaufwert hängt vom Gerät, dem Seildurchmesser und dem Seilzustand ab und kann nicht verallgemeinert werden. Mit verschiedenen Seilen haben wir Tests mit einem PINCH durchgeführt und dabei Durchlaufwerte zwischen 5 und 6 kN gemessen. Diese Kräfte würden in einem realen Szenario unmittelbar auf den Körper der fallenden Person wirken und könnten je nach Sturzposition und Körperspannung aufgrund der hohen Beschleunigung zu Verletzungen führen. Das Risiko wird daher weiterhin als hoch eingestuft.

    Gegenmaßnahmen:

    Eine mögliche Reduktionsmaßnahme für dieses Problem ist die Verwendung von Bandfalldämpfern, sogenannten Screamern. Um eine voll funktionsfähige Sicherungskette zu erhalten, ist der Einsatz von Screamern mit einer Restbruchkraft von 22 kN erforderlich. Zu Beginn kann eine erster Screamer zwischen dem Seilende und dem Fixpunkt angebracht werden. Selbst bei einem Sturz mit Faktor 2 könnte dieses dämpfende Element einen großen Teil der Sturzenergie umwandeln und die Kraft im System auf den Aufreißwert des Dämpfungselements  reduzieren. Die Platzierung eines Screamers in der Zwischensicherung reduziert ausserdem die auf die Zwischensicherung wirkende Kraft und verringert so die Wahrscheinlichkeit, dass eine unsichere Zwischensicherung versagt. Später in der Seillänge kann auf Screamer verzichtet werden, da nun genügend Seil im System vorhanden ist, um die Energie umzuwandeln. Darüber hinaus werden heute auch andere Dämpfungselemente eingesetzt, um die Fangstöße in einem LRS-System zu reduzieren. Auch eingefädelte Klettersteig-Reibungsbremsen, Umlenkungen, elastische Bänder finden Anwendung ...

    Diese Maßnahmen sind jedoch schwer zu quantifizieren und zu bewerten und wurden daher bei dieser Bewertung nicht berücksichtigt. Solange ein vollwertiges Sicherungssystem ohne Einschränkung eingesetzt wird, gilt für die meisten dieser Maßnahmen folgendes: Auch wenn es vielleicht nicht hilft, schadet es wahrscheinlich wenig.

    Verbleibendes Risiko:
    Je nachdem, wie viele Screamer verwendet werden und wie hoch deren Aufreißwerte sind, kann die Kraft im Falle eines Sturzes auf ein ähnliches Maß wie bei normalen Sportkletterstürzen reduziert werden. Daher ist das verbleibende Restrisiko mit dem eines normalen bis harten Sportklettersturzes vergleichbar.

  • 5. Funktion des Sicherungsgeräts

    Das Problem mit den Sicherungsgeräten lässt sich durch den folgenden Umstand erklären:

    In der Regel werden heute für das LRS-Klettern Sicherungsgeräte verwendet, die nach der Europäischen Norm EN 15151-1 zertifiziert sind. Diese Geräte werden auf dem Markt meist als halbautomatische Geräte bezeichnet. Der Titel der Norm lautet jedoch „Bremsgeräte mit manuell unterstützter Verriegelung“.

    Also JA - die Geräte können das Seil blockieren/verriegeln, aber dies erfordert eine manuelle Aktivierung. Bei der üblichen Partnersicherung entspricht dies der Bremshand. Die Bremshand hält das Seil fest und aktiviert so den Blockiermechanismus. Im Passivtest der Norm - bei dem das Gerät an einem Fixpunkt befestigt ist und eine Fallmasse bei einem zwei Meter Faktor-2-Sturz direkt in das Gerät fällt - wird diese Aktivierung durch 2 m Seilgewicht auf der Bremsseite simuliert. Außerdem ist in diesem Szenario der Impuls auf das Gerät recht hoch und der Arretiermechanismus wird durch die Haftreibung des Seils am Klemmmechanismus schnell aktiviert.

    Bei einer Verwendung während dem LRS-Kletterns fehlen oft alle drei günstigen Faktoren:

    Es gibt keine Bremshand am Seil, Stürze können direkt oder kurz nach dem Einhängen der Zwischensicherung und bei großem Abstand zum Stand erfolgen, was zu einem sehr geringen Impuls auf das Gerät führt. Das Seil kann durch das Gerät laufen, die Haftreibung geht in Gleitreibung über und der Mechanismus wird nicht aktiviert. Schließlich fehlt das Gewicht des Seils auf der Bremsseite, da die Cache-Loop das Bremsseil darstellt und dieses sich aufgrund der Schwerkraft mit der fallenden Person nach unten bewegt, so dass es im Moment des Sturzes schwerelos ist.

    Außerdem werden die Geräte oft von den Nutzern modifiziert, um das Gerät besser bedienbar zu machen und den Seildurchlauf zu erleichtern. Zu diesem Zeitpunkt haften die Hersteller der Geräte nicht mehr für Unfälle, die auf Fehlfunktionen der Geräte zurückzuführen sind. Alle Hersteller dieser Geräte fordern in ihren Gebrauchsanleitungen ausdrücklich das Bremshandprinzip, das beim LRS nicht erfüllt werden kann. Außerdem schließen die Hersteller die Haftung für unzulässige bauliche Veränderungen an ihren Geräten aus.

    Wir haben eine Reihe von Tests zum Einsatz von Bremsgeräten nach EN 15151-1 im LRS durchgeführt. Dabei hat sich gezeigt, dass im ungünstigsten Fall - in der Nähe des letzten Hakens oder unmittelbar nach dem Clippen des Hakens - bei einer mittelgroßen Cache-Loop (ca. 1-3 m Seil) typischerweise die gesamte Länge der Cache-Loop in das Gerät gezogen wird, bis der minimale Widerstand der Cache-Loopbefestigung den notwendigen Widerstand zur Aktivierung des Bremsmechanismus bietet.

    Insbesondere in der Nähe des Hakens, wo der Impuls auf das Bremsseil im Gerät gering ist, muss man mit einer Fallstrecke bis zum Ende der Cacheloop rechnen.

    Gegenmaßnahmen:

    Allein das Bewusstsein für dieses Risiko kann bereits eine Gegenmaßnahme sein, da die kletternde Personihr Verhalten in Bereichen und Situationen mit erhöhtem Risiko anpassen kann, indem sie beispielsweise einen defensiveren Kletterstil anwendet.

    Vor allem oberhalb von Felsvorsprüngen oder in aufprallgefährdeten Situationen ist es sinnvoll, mehrere kleinere Cacheloops vorzubereiten oder eine einzelne Cacheloop klein zu halten, um den Seildurchlauf im Falle eines Sturzes und des Versagens des Klemmmechanismus des Geräts so gering wie möglich zu halten. Regelmäßige Stopperknoten im Seil begrenzen die Sturzstrecke über die Sicherheit der Cacheloops hinaus.

    Verbleibendes Risiko:

    Obwohl das Restrisiko durch diese Maßnahmen reduziert werden kann, werden im Sinne eines realistischen Kletterflusses immer größere Cacheloops erforderlich sein und das Risiko eines weiteren Sturzes mit möglichen Verletzungen durch Aufprall oder Kollision kann nicht vollständig ausgeschlossen werden.

    Hinweis: Im Rahmen der Untersuchungen für diese Publikation wurden verschiedene auf dem Markt befindliche Geräte-Seil-Kombinationen getestet und es wurde festgestellt, dass es Kombinationen gibt, die zwar den einschlägigen Normen entsprechen, aber im Extremfall eines Sturzes mit Faktor 2 zu schweren Seilschäden bis hin zum Seilriss im Gerät führen können. Eine eindeutige Funktion der verwendeten Kombination kann nur durch geeignete Tests oder durch Rücksprache mit den Herstellern ermittelt werden.

  • 4. Befestigung des Sicherungsgeräts am Klettergurt

    Sowohl beim Seilschaftsklettern als auch beim LRS muss das Sicherungsgerät am Gurt befestigt werden. Wo also liegt der Unterschied?

    Beim Seilschaftsklettern wird das Sicherungsgerät am Gurt der sichernden Person  befestigt. Aufgrund der Reibung in der Sicherungskette, erreicht selbst bei langen und harten Stürzen in der Regel weniger als ein Drittel der auf die stürzende Peson einwirkenden Kraft die sichernden Person  . Beim LRS wirkt die Kraft direkt auf das Gerät, das am Gurt der stürzenden Person befestigt ist. Die Kräfte können daher wesentlich höher sein. Selbst bei schweren Stürzen sind Kräfte zwischen 2 und 3 kN auf die sichernden Person  üblich.

    Bei einem harten LRS-Szenario sind je nach Sturzfaktor und Durchlaufwert des Geräts Kräfte um 6 kN denkbar. Wo liegt das Problem?

    Die Karabiner, mit denen das Gerät am Gurt befestigt wird, können ungünstig belastet werden. Die offensichtlichste, ungünstige Belastung wäre eine Querbelastung, und die europäische Norm verlangt für diese Belastungsrichtung eine Restfestigkeit von mindestens 7 kN. Ein Wert, der nahe an der Kraft liegt, die hier tatsächlich auftreten kann.

    Noch kritischer sind Hebelbelastungen, wenn das Gerät ungünstig auf dem Schnapperverschlussmechanismus des Karabiners positioniert ist. Beim Teamklettern kann die sichernden Person dies während des Sicherns überwachen, erkennen und gegensteuern.

    Beim LRS ist die Person in der Regel zu 100 % auf das Klettern konzentriert, und eine ungünstige Belastung des Karabiners könnte zu einem vollständigen Systemversagen führen, was einen Sturz bis zum Ende des Seils zur Folge hätte. Das Risiko gilt als sehr hoch, es sei denn, die Befestigung des Geräts am Klettergurt hält allen möglichen Belastungen stand.

    Gegenmaßnahmen:
    Wirksame Gegenmaßnahmen sind daher alle Maßnahmen, die sicherstellen, dass sich das Gerät nicht vom Gurt lösen kann.

    Das kann bedeuten, dass ein Verbindungselement verwendet wird, das auch in allen ungünstigen Situationen eine ausreichende Festigkeit aufweist, wie z. B. Karabiner, die nach der amerikanischen ANSI-Norm zertifiziert sind. Diese Norm verlangt ausreichend hohe Festigkeiten auch bei seitlicher und ungünstiger Schnapperbelastung.

    Alternativ und wesentlich leichter ist ein Maillon Rapide, ein Schraubkettenglied, mit Positionierungs- und Verriegelungselement oder, wie beim PINCH möglich, eine direkte Befestigung des Geräts am Gurt mit zusätzlicher Sicherung durch beispielsweise einen Materialkarabiner, wodurch die Risikokomponente des Karabiners vollständig entfällt.

    SafeBiners mit Gerätepositionierung im Karabiner bieten möglicherweise - je nach Geometrie und Funktion des Verschlusses -  ebenfalls eine sichere Befestigung.

    Verbleibendes Risiko:
    Diese Maßnahmen sind geeignet, das Restrisiko eines Versagens der Gurtbefestigung auf Null zu reduzieren.

  • 3. Befestigen des Seils am Anschlagpunkt

    Beim Seilschafts-Klettern wird das Seilende mit dem Klettergurt der kletternden Person verbunden, wodurch eine Textil-zu-Textil-Verbindung entsteht. Ungünstige Belastungen, Selbstaushängen und seitliche Belastungen sind ausgeschlossen. Die Befestigung des Seils an einem Fixpunkt oder Anschlagpunkt erfordert in der Regel die Verwendung von Karabinern oder anderen Metallkomponenten. Wie bei der Befestigung von Geräten können auch hier ungünstige Belastungen auftreten. Ein typischer und vielleicht der ungünstigste Lastfall ist ein Verschlusskarabiner in einem Bohrhaken. Wenn sich das Seil lockert, kann der Karabiner in der Hakenöse zur Seite kippen. Beim Wiederbelasten kann der Schnapper des Karabiners gegen den oberen Steg des Hakens zu liegen kommen, und der Verriegelungsmechanismus des Schnappers kann schon durch geringe Lasten wie das Körpergewicht beschädigt oder zerstört werden, so dass sich der Karabiner aushängen kann. Ein potenziell tödlicher Sturz wäre die unvermeidliche Folge. Das Risiko wird daher als sehr hoch eingestuft.

    Gegenmaßnahmen:
    Mögliche Gegenmaßnahmen sind alle Vorrichtungen, die ein Lösen des Seils vom Anschlagpunkt unmöglich machen.

    Beispiele für solche Anbringungen sind:

    Direktes Einbinden des Seils in den Anschlagpunkt und alle Arten von textilen Anbindungen. Dies ist in jedem Fall die sicherste Befestigung bei zuverlässigen Anschlagpunkten mit ausreichendem Hakenradius.

    Bei Bohrhaken kann der kleine Radius der Lasche eine geringere Festigkeit eines  direkt eingebundenen Seils bedeuten. Die reduzierte Festigkeit ist jedoch immer noch deutlich größer als die Festigkeit eines ungünstig belasteten Karabiners. Seilschäden durch harte Stürze können durch die Zwischenschaltung einer drei- oder vierfach geschlungenen 120-cm-Schlinge reduziert werden.

    Wie bei der Befestigung des Geräts ist ein Maillon Rapide mit einem Positionierungs- und Verriegelungselement ein geeignetes Mittel zur Seilbefestigung. Das Gleiche gilt für ANSI-zertifizierte Karabiner, obwohl diese oft deutlich schwerer sind.

    Ein SafeBiner oder Verriegelungskarabiner mit Positionierungsgerät bringt hier keinen Sicherheitsgewinn, da die Durchstanzbelastungen am Schnapper gleichermaßen auftreten können.

    Bei mehreren Anschlagpunkten empfiehlt sich eine kalte Redundanz, d. h. eine unbelastete Reihenschaltung, unter Verwendung der zuvor beschriebenen Befestigungslösungen.

    Falls vorhanden, bieten auch ausreichend dicke und gesunde Bäume, die direkt ins Seil gebunden werden, eine sichere Seilbefestigung.

    Verbleibendes Risiko:
    Alle beschriebenen Maßnahmen sind geeignet, das Risiko eines ungewollten Lösens des Seils vom Anschlagpunkt auf Null zu reduzieren.

  • 2. Fehlen von Rettungsgerät und Kette

    Wenn die vorsteigende Person einer Seilschaft bewusstlos im Seil hängt, kann sie in der Regel von der sichernden Person zum Boden oder zurück zum Standplatz abgelassen werden. In komplexeren Situationen in Mehrseillängenrouten gibt es behelfsmäßige Rettungsverfahren. In fast allen Fällen ist der Teampartner zumindest in der Lage, eine externe, professionelle Rettungskette in Gang zu setzen. Wer sich z. B. bei einem LRS-Sturz bei einem harten Anprall beide Hände verletzt und sich nicht mehr selbst abseilen kann, benötigt bereits in der geschützten Umgebung einer Kletterhalle ein nicht triviales Rettungsverfahren. Ob diese Verfahren und Personen, die dazu in der Lage sind, immer verfügbar sind, ist zumindest fraglich und sollte im Vorfeld durchdacht und geplant werden.

    Gegenmaßnahmen und Restrisiko: siehe Risiko 1.

  • 1. Allein sein

    Ein letztes Risiko, das weniger mit LRS im Speziellen, sondern eher mit dem Alleinsein im Allgemeinen zu tun hat. Unfälle, Zwischenfälle und Verletzungen, die für ein Kletterteam kein tödliches Risiko darstellen würden, können für eine einzelne Person durchaus kritisch bewertet werden.

    Gegenmaßnahmen:

    Die direkte und kontinuierliche visuelle Überwachung durch eine zweite Person wäre das zu erwartende Mindestmaß an Restsicherheit. Dies kann die Zeit bis zur Rettung in jedem Fall deutlich verkürzen, auch wenn der Rettungsvorgang oft unvergleichlich komplexer bleibt.

    Eine direkte visuelle Überwachung widerspricht jedoch der Intention des Solokletterns und wird wohl kaum bewusst organisiert werden.

    Alternativ sind Kontrollanrufe oder Textnachrichten denkbar. Erfolgt innerhalb von 30 Minuten keine Reaktion, wird die überwachende Person in jedem Fall die Rettung rufen. Auch dieser Ansatz stellt keine adäquate Lösung dar - niemand will sich beim Soloklettern Gedanken darüber machen, ob er alle 30 Minuten pünktlich zum Telefon kommt; 30 Minuten können im Ernstfall zu lang sein, und die Rettung könnte oft fälschlicherweise ohne Grund gerufen werden.

    Sturzsensoren mit Notruffunktion, wie sie im Fahrradbereich bereits weit verbreitet sind, könnten zumindest eine minimale Sicherheitsreserve bieten.

    Verbleibendes Risiko:
    Dennoch stellt das Alleinsein und das damit verbundene Fehlen einer Rettungsmöglichkeit das größte Risiko bei der Ausübung einer risikoreichen Tätigkeit dar, und akzeptable und sinnvolle Maßnahmen zur Reduzierung dieses Problems sind mit Abstand am schwierigsten umzusetzen.

Fazit

Sportklettern ist ein relativ risikoarmer Sport, wenn er von erfahrenen Personen vernünftig betrieben wird.

Mehrseillängenklettern, alpines Klettern und Bergsteigen bergen selbst für erfahrene Anwender*innen deutlich größere und manchmal unvorhersehbare Restrisiken.

Lead Rope Solo, insbesondere in Mehrseillängenrouten, erhöht das Risiko um mehrere zusätzliche Komponenten, die sich durch Erfahrung oder die richtigen Gegenmaßnahmen zwar reduzieren, aber nicht völlig ausschließen lassen.

Die Tatsache, dass heute nur wenige LRS-Unfälle bekannt sind, kann darauf zurückgeführt werden, dass diese Disziplin von einer relativ kleinen Benutzergruppe praktiziert wird, oft in sehr leichten Routen mit geringer Sturzwahrscheinlichkeit, oder dass die Benutzer absolute Profis sind, die sich dem Thema sehr langsam und vorsichtig genähert und ihre Systeme akribisch getestet und perfektioniert haben.