Häufige Sturzbelastungen (Sturzfaktor <1), viel Abseilarbeit, häufiges Toprope-Klettern, viel Schmutz (Sand, Staub, Chalk) und mechanischer Abrieb (u.a. auch rauer, scharfer Fels) können die Sicherheitsreserven eines Bergseiles reduzieren. Ist der Seilmantel so stark beschädigt, dass der Kern sichtbar ist, muss das Seil sofort ausgetauscht werden. Um zu bewerten, wie lange ein Seil noch von dieser Aussonderungsgrenze entfernt ist, kann der sogenannte „Knicktest“ einen Anhaltspunkt liefern.
So funktioniert der Knicktest
An der zu bewertenden Stelle das Seil ausstreichen, um Ungleichmäßigkeiten in den Mantelgarnen, wie sie z. B. durch längeres Hängen im Sicherungsgerät oder anderen punktuellen Belastungen eines Seils entstehen können, auszugleichen. Dann wird das Seil um 180° gebogen und mit Daumen und Zeigefinger bewertet, wie leicht sich die Seilstränge aufeinanderdrücken lassen, ohne dass ein Auge (eine kleine Öffnung zwischen den Seilen) bleibt. Wenn ein Seil beim „Knicktest“ in manchen Bereichen, im Vergleich zum restlichen Seil, deutlich leichter kein Auge mehr zeigt, ist es ein Indiz dafür, dass in diesen Bereichen die Mantelgarnspannung abgefallen ist. Der Seilmantel ist durch Walkarbeit oder mechanischen Abrieb verändert und nähert sich der Verschleißgrenze an. So kann durch eine optische und haptische Bewertung, ergänzt durch den Eindruck, wie leicht das Seil im „Knicktest“ zusammenzudrücken ist, der Verschleißzustand und damit der Abstand zur Verschleißgrenze abgeschätzt werden. Denn sobald der Kern sichtbar ist, muss das Seil sofort von der Verwendung ausgeschlossen werden, was in manchen Anwendungen zu einer unguten Situation führen kann.
Auswertung des Knicktests je nach Einsatzbereich des Seils
Wieviel Abstand zur Verschleißgrenze tolerabel ist, hängt von Einsatzbereich, Umfeld und Prüfhäufigkeit ab. So ist es beispielsweise denkbar, dass ein Seil beim Hallenklettern bis zur Verschleißgrenze verwendet wird, wenn der Anwender das Seil vor jedem Besuch kontrolliert. Dagegen ist bei Seilen, die für längere Zeit intensive beim Alpinklettern genutzt werden sollen, weniger Verschleiß zu tolerieren.