Textile Seile, Schlingen, Bänder und Reepschnüre sind im Klettersport allgegenwärtig und fast immer werden sie in der Anwendung geknotet. Material und Konstruktion sowie die Knotenform und die Richtung, in der die Last auf den Knoten kommt, haben Einfluss darauf, wie stark das Ausgangsmaterial durch den Knoten geschwächt wird. Halten sollen sie natürlich alle, aber wie viel Sicherheitsreserve bleibt noch? Welches Textil mit welchem Knoten ist für welchen Zweck besonders geeignet? Um diese Fragen zu klären, haben wir die wichtigsten Kombinationen getestet.

 

HINTERGRUND

Im Wesentlichen wirkt sich ein Knoten durch eine Ungleichverteilung der Last zwischen den Fasern schwächend auf textile Materialien aus. Der Biegeradius im Knoten ist dabei maßgeblich und wird durch die Knotenart und Belastungsrichtung des Knotens beeinflusst. In einem gebogenen Material sind Fasern gestaucht und deshalb weniger unter Spannung als andere (siehe Abbildung 1). Es kommt zu Spannungsspitzen im Material, an denen es dann unter entsprechender Last zum Bruch kommt. Die Querschnittsform (Rund, Rechteck, Dimension) und die Bruchdehnung des Materials beeinflussen, wie groß die Ungleichverteilung der Last durch den Knoten zum Tragen kommt. Ein stark dehnfähiges Material kann diese Spannungsspitzen mehr ausgleichen als ein statisches Material, da sich die am stärksten gespannten Fasern dehnen und so zusätzliche Fasern unter Last bringen.

Abbildung 1: gleichmäßig gespannte Fasern im Seil ohne Knoten; ungleich gespannte Fasern am Biegeradius im Knoten; diese Spannungsspitzen sind dann die Sollbruchstelle

MATERIALIEN UND KONSTRUKTION

Bei den textilen Fasern in Seilen, Schlingen und Reepschnüren kommen vier Materialien zum Einsatz:


Polyamid (PA) ist das am meisten verwendete Material. Es besitzt von den vier Materialien mit 15 - 30 % die höchste Bruchdehnung, aber mit 800 N/mm2 nur eine mittlere Zugfestigkeit. Deshalb muss – im Vergleich zu den hochfesten Materialien wie Dyneema® (UHMWPE) oder Aramid – bei Produkten aus Polyamid mehr Material verbaut werden, um die gleiche Festigkeit zu erreichen. Es wird sowohl in Kern-Mantel-Konstruktionen zu Seilen und Reepschnüren verflochten als auch in Bandkonstruktionen verwebt.


Polyester: Hat die gleiche Bruchfestigkeit wie Polyamid, mit 10 - 20 % eine etwas geringe Bruchdehnung und ist etwas abriebfester. Es kommt vor allem in Bandkonstruktionen vernäht und unvernäht zum Einsatz.


Dyneema®: Ist der Markenname für Ultra-High-Molecular-Weight-Polyethylen (UHMWPE). Es ist mit einer Zugfestigkeit von 3400 N/mm2 hochfest, weist aber mit 3,8 % eine sehr geringe Bruchdehnung auf. Die Oberfläche ist sehr glatt, deshalb rutschen Knoten leicht durch. Dyneema® wird in vernähten Schlingen und Reepschnüren verbaut. Da es hochfest ist, weisen die Schlingen auch mit sehr geringem Durchmesser die nötige Bruchlast auf.


Aramid: Ein aromatisches Polyamid, das trotz seines erstgenannten Verwandten unterschiedliche Eigenschaften aufweist. Es ist mit einer Bruchfestigkeit von 3300 N/mm2 hochfest, hat aber eine niedrige Bruchdehnung von 3,5 %. Die Fasern sind goldgelb und werden vor allem als Kern in Reepschnüren verarbeitet.

 

VERWENDETE SEILE UND BÄNDER

Für die Untersuchungen wurden zwei Seile und alle gängigen Typen von Bändern, Reepschnüren und Schlingen von EDELRID verwendet.
Das Apus Eco Dry ist ein 7,9 mm dünnes Halb- und Zwillingsseil mit einem Metergewicht von 44 g/m und hält als Halbseil neun und als Zwillingsseil 30 Normstürze.


Das dreifach zertifizierte Swift Eco Dry ist bei einem Metergewicht von 52 g/m 8,9 mm dick. Es hält als Einfachseil sieben und als Halb- oder Zwillingsseil 22 Normstürze aus.


Als Bandmaterial wurden Polyamid-Bänder in 16, 19 und 25 mm Breite, das 12 mm breite Tech-Web-Mischgewebeband mit einem Mantel aus Polyamid und einem Kern aus Dyneema® und ein 8 und 11 mm breites Dyneema®-Band getestet. Das 11 mm Dyneema®-Band ist allerdings trotz der geläufigen Bezeichnung ein Mischgewebeband, es enthält 57 % Polyamid.


Als Reepschnüre wurden eine 6 mm Reepschnur aus Polyamid, eine mit Dyneema®-Kern und Polyester-Mantel (Hardline), eine mit Aramid-Kern und Polyamid-Mantel (Aramid Cord) sowie eine mit Polyamid-Kern und Aramid-/Polyamid-Mantel (Rapline Protect Pro Dry) verwendet.
Für die Standplatzaufbauten mit vernähtem Material wurden 120 cm lange Schlingen aus den beschriebenen 16 mm Polyamid-, dem Tech-Web-Mischgewebe-, dem 8 und 11 mm Dyneema®-Band und der Aramid Cord verwendet.

 

TESTAUFBAU

Um zu klären, um wie viel die Knoten schwächen, wurde von allen Materialien zuerst die Bruchlast unverknotet nach EN 566 bzw. EN 565 an Schlingscheiben mit zusätzlicher Dehnungsmessung als Referenz ermittelt.


Danach wurden die Materialien mit einer Auswahl an verbreiteten Bergsportknoten getestet: Sackstich und Paketknoten in Tropfenform, Sackstich und Achter in Anseilbelastung, der doppelte Spierenstich als Verbindung zweier Enden und der Mastwurf im Karabiner.


Zusätzlich wurden einige Knotenkombinationen, wie sie in Standplatzaufbauten zum Einsatz kommen bzw. wie sie beim Ausbruch eines Fixpunktes am Stand belastet werden, getestet.

  • Die Festigkeit eines doppelten Bulin-Auges, wie es bei einer Reihenschaltung belastet wird.
  • Fixpunktausbruch bei einer Reihenschaltung mit doppeltem Bulin und mit Sackstich verkürzt.
  • Fixpunktausbruch bei einem Südtiroler Stand, bei dem der Doppelstrang-Teil der Schlinge die Last trägt. Bei einem Ausbruch des anderen Fixpunktes ist die Festigkeit wegen der Lastverteilung auf vier Stränge auf jeden Fall höher. Es wurden zwei Varianten getestet: Eine mit Ankerstich im Zentralkarabiner und eine weitere mit Mastwurf im Zentralkarabiner.
  • Fixpunktausbruch bei einer fixierten Kräfteverteilung aus unvernähtem, mit einem Paketknoten verbundenen Material und Ankerstich im Zentralkarabiner.

VERSUCHSPARAMETER

Alle Materialien wurden vor der Prüfung nach EN 892:2012, Punkt 5.2 konditioniert. Dafür wurden sie 24 h bei 23 ± 2 °C und 50 % relativer Luftfeuchtigkeit gelagert.


Die Zugversuche für die Referenzmessungen der unverknoteten Materialien wurden bei 300 mm/min durchgeführt. Die Dehnung wurde optisch gemessen. Die Aufbauten mit Knoten wurden bei 500 mm/min durchgeführt. Alle Zugversuche wurden dreimal durchgeführt und die Ergebnisse gemittelt. Die Standardabweichung der drei Werte lag dabei zwischen 0,2 kN und 1,8 kN.

 

1. Referenzmessungen von unverknotetem Material

2. Knoten mit offenem Material

3. Standplatzaufbauten und Fixpunktausbrüche

Um die Reduzierung klarer darzustellen, wurde bei den Knoten im Einzelstrang die Festigkeitsabnahme in % im Vergleich zum Einzelstrang ohne Knoten dargestellt. Einige Knoten sind bei der Lastaufnahme nicht gerissen, sondern durchgelaufen, bis das lose Ende durch den Knoten rutschte. Diese Werte sind mit einem * markiert. Gerade bei Dyneema® stellt sich ein Rutschen der Knoten schnell ein, deswegen ist eine Hintersicherung gegen vollständiges Durchrutschen dringend notwendig.


Bei den Versuchen sind viele der Knoten durchgelaufen, bis das Rutschen behindert wurde. Bei dem Sackstich und Paketknoten wurde das Rutschen durch einen im „Tropfen" eingehängten Karabiner blockiert, bei den Standplatzaufbauten durch den ausgebrochenen zweiten Fixpunkt (im Prüfungsfall eine geknotete Acht).


Bei der Hardline riss meist der Mantel und der Dyneema®-Kern wurde aus dem Knoten gezogen.


Bei allen Materialien, die als äußere Schicht Polyamid aufweisen, lief der Knoten nur teilweise und wenn, dann ein- bis dreimal ruckartig durch. Das Material schmolz durch die Reibung im ruckartig rutschenden Knoten so stark an, dass er verklebte und das Textil riss.

 

DISKUSSION DER ERGEBNISSE

Es zeigen sich deutliche Unterschiede in den Knotenfestigkeiten abhängig von Material und Knotenform. Bei einigen Materialien oder Anwendungen liegen die absoluten Festigkeitswerte deutlich über den Anforderungen, sodass es letztlich unerheblich ist, welcher Knoten gemacht wird und Aspekte der praktischen Handhabung den Ausschlag geben können. Bei einigen Anwendungs-Material-Kombinationen macht es Sinn, die schwächende Wirkung eines Knotens bei der Auswahl zu berücksichtigen.

 

KNOTEN IM EINZELSTRANG

Am wenigsten schwächend wirkten sich Knoten bei Seilen aus, nämlich im Einzelstrang maximal -43 %. Besonders stark schwächend wirken sich die Knoten auf Aramid Cord (im Mittel über alle Knoten -64 %), Hardline (im Mittel über alle Knoten -62 %) und Dyneema® 8 mm aus (im Mittel über alle Knoten -54 %). Es liegt nahe, dass sich bei den restlichen Konstruktionen das Vorhandensein von PA mit größerer Dehnung positiv auf die Schwächung durch Knoten auswirkt.


Im Vergleich der Knotenformen wirken sich mit -38 % bis -75 % am stärksten schwächend der Sackstich- und Paketknoten in Tropfenform belastet aus, wobei der Sackstich noch etwas mehr schwächt. Die Belastungsart des Knotens hat einen deutlichen Einfluss auf die schwächende Wirkung eines Knotens. Wird ein Sackstichknoten als Anseilknoten belastet, schwächt er etwa 20 % weniger als im Ring belastet. Der doppelte Spierenstich schwächt im Vergleich zum Paketknoten in Tropfenform weniger.

STANDPLÄTZE

Beim Aufbau einer Reihenschaltung haben alle Materialien, die dafür infrage kommen (vernäht als Schlinge), selbst beim Ausbruch eines Fixpunktes noch Bruchlasten über 12 kN und regulär im doppelten Bulin belastet über 24 kN. Bei den Dyneema®-Schlingen fing der Bulin an zu laufen, sodass keine Bruchlast bestimmbar war. Aber die Festigkeit mit einem Fixpunkt lag über 12 kN, was eine Bruchlast des doppelten Bulins von über 20 kN erwarten lässt. Der Südtiroler Stand mit Ankerstich zeigte leicht höhere Festigkeiten als der mit Mastwurf, wobei der Unterschied nicht groß ist und auch die Werte mit Mastwurf für einen Standplatz an fraglichen Fixpunkten akzeptabel sind. Das fixierte Kräftedreieck weißt lediglich an einem Strang belastet mit allen Materialen Festigkeiten von über 11 kN auf.
 


Im Artikel „Schlingenrisse an Standplätzen", Berg und Steigen #107 wird davon ausgegangen, dass durch einen Standsturz einer durch einen Halbmastwurf gesicherten Person im Vorstieg in ein Doppelseil je nach Rauigkeit des Seilmantels und Kraft des Sichernden bis zu 5,5 kN auf den Stand wirken. Reißt dann ein Fixpunkt aus, kann durch die Pendelbewegung der sichernden Person 1 kN hinzukommen und eine Last von 6,5 kN wirken.

 

WEITERE EINFLUSSFAKTOREN

Alle Versuche wurden mit neuem Material durchgeführt. Alterungseffekte wie mechanische Walkarbeit oder UV-Belastung senken die Bruchlast. Dieser Effekt ist insbesondere bei 8 mm Dyneema® zu berücksichtigen.


Die Versuche wurden, wie unter „Versuchsparameter" beschrieben, quasistatisch durchgeführt. Das heißt, die entstehende Kraft wurde sehr langsam aufgetragen. Bei einem Sturz wirkt sie jedoch ruckartig und reduziert die Festigkeit so noch etwas stärker.
Deshalb ist es wichtig, bei der Auswahl eines Knotens je nach Art der Anwendung noch ausreichend Sicherheitsreserve einzubauen.