Die ersten Tage am El Cap (Seillänge 1-15)
Einen Tag bevor wir loslegten, haulten wir bereits einen Teil unseres Materials – Portaledge, Essen, Schlafsachen etc. – über die Fixseile bis zur Mammoth Ledge hinauf (11. Seillänge), unserem Etappenziel für den ersten Tag.
Am ersten Klettertag (25. Februar) meisterten wir tatsächlich elf Seillängen. Der Einstieg war zäh – die ersten Meter waren nass, was das Klettern deutlich anspruchsvoller machte. Aber wir hielten durch. Zum Glück war die 8a-Traverse, die wir vorher schon ausgecheckt hatten, trocken – und überraschenderweise weniger ein Kampf als die vermeintlich „leichteren“, aber nassen Längen zuvor. Erschöpft, aber stolz, erreichten wir schließlich Mammoth Terrace, wo wir unsere erste Nacht in der Wand verbrachten.
Der Schlaf im Portaledge war zwar alles andere als erholsam, aber es war trotzdem eine besondere Erfahrung, morgens aufzuwachen und zu realisieren: Wir hängen mitten in einer Big Wall.
Am zweiten Tag (26. Februar) standen die Seillängen 12 bis 16 auf dem Plan – und wir blieben sturzfrei! Die 7b+-Länge war durch die Nässe eine echte Herausforderung, aber wir wurden tatsächlich besser darin, nasse Risse zu klettern – haha. Die 7c-Stemmlänge war einer meiner Lieblingslängen – viel Spreizen im Spagat, genau mein Ding. Der darauffolgende Kamin fühlte sich ebenfalls besser an als erwartet. Besonders cool: Ich konnte eine neue Offwidth-Technik ausprobieren. Auch wenn’s nicht gerade angenehm war – es hat funktioniert. Trotz der Erschöpfung fühlte ich mich stark – und mit jedem Meter wurde ich ein bisschen selbstsicherer.
Tag 3: Silver Fish (Seillänge 15) – Ein emotionaler Kampf
Die Silver Fish-Seillänge (8a+) war die größte Herausforderung – nicht nur wegen der ohnehin anspruchsvollen Kletterei, sondern auch, weil der obere, schwere Teil der Route immer noch nass war. Soline und ich hatten die Länge in unserer Vorbereitung einmal ausgecheckt und wussten grob, was auf uns zukam. Doch das machte es nicht unbedingt leichter.
Mein erster Versuch endete in einem heftigen Sturz – vermutlich gut zehn Meter. Im leichteren Mittelteil hatte ich mit den Sicherungen gespart, da ich kurz darauf einen No-Hand-Rest erreichen würde. Doch dann rutschte mein Fuß beim Piazen weg. Die linke Wand war so plattig, dass ich mit den Füßen zuerst aufkam, was mich kopfüber in den Gurt schleuderte und hart mit dem Rücken gegen die Wand prallen ließ. Für ein paar Sekunden bekam ich kaum Luft – ein Moment purer Panik. Game Over? Ich hatte Angst, mir ernsthaft etwas am Rücken getan zu haben. Doch nachdem ich mich beruhigt hatte, spürte ich, dass es weiterging. Ich wollte auf keinen Fall, dass dieser Sturz mich mental aus dem Gleichgewicht brachte.
Soline stieg die Seillänge durch, und es war unglaublich inspirierend, ihr dabei zuzusehen. Ich freute mich riesig für sie – doch gleichzeitig setzte es mich unter Druck. Ich wollte nicht diejenige sein, die uns aufhielt. Es kann herausfordernd sein, wenn eine Person durchkommt, während die andere kämpft – umso wichtiger sind offene Gespräche über Erwartungen und mögliche Szenarien im Vorfeld.
Ich war angespannt bei meinem zweiten Versuch, immer noch belastet vom Sturz, aber diesmal legte ich deutlich mehr Sicherungen. Trotzdem – kurz vor dem Umlenker, beim letzten schweren Zug, flog ich wieder raus. So knapp vor dem Durchstieg! Ich konnte es nicht fassen. Der Frust war riesig. Ich fühlte mich völlig ausgepowert und dachte kurz, das war’s für heute. Aber aufgeben kam nicht in Frage. Ich wollte es später noch einmal versuchen.
Also griff ich zum bewährten Rezept gegen Erschöpfung: eine massive Portion Junk Food. Chips, Brownies, Gummibärchen – alles, was wir hatten. Danach fühlte ich mich tatsächlich etwas besser.
Beim dritten Versuch kämpfte ich mich durch. Mein Körper war müde, meine Beine zitterten, aber ich zwang mich, konzentriert zu bleiben. Den unteren Teil schaffte ich irgendwie. Und weil ich den oberen Abschnitt nun besser kannte, mobilisierte ich meine letzten Kräfte – und erreichte den Umlenker! Ich konnte es selbst kaum glauben. Ein harter, aber unglaublich lehrreicher Tag. Eine Lektion in Geduld, mentaler Stärke und Durchhaltevermögen. Wieder einmal wurde mir bewusst, dass Big-Wall-Klettern nicht nur körperlich, sondern vor allem psychisch eine enorme Herausforderung ist.