Eine Möglichkeit, um Anprallverletzungen beim Stürzen zu vermeiden, ist weich zu sichern. Die dafür notwendige Dynamik kann über das verwendete Sicherungsgerät oder über den Körper der sichernden Person erzeugt werden.

Wir haben untersucht, welchen Einfluss die Vorreibung im Seilsystem bei einer passiven oder dynamischen Sicherungsmethode hat.

Fangstöße bei aktiver und passiver Körpersicherung

Eines der Hauptrisiken beim Sportklettern ist der Bodensturz aufgrund eines Sicherungsfehlers. Deshalb empfehlen die Alpinverbände seit einigen Jahren die Verwendung von halbautomatischen Sicherungsgeräten. Durch die hohen Bremskräfte dieser Geräte können Stürze weitestgehend unabhängig von der Handkraft der sichernden Person gehalten werden und auch beim Verlust des Bremsseils besteht eine Chance, dass der Sturz vom Gerät gehalten wird.

Der Nachteil dieser Geräte besteht darin, dass sie das Seil im Sturzfall annähernd blockieren. Ein „weiches" Abfangen des Sturzes durch den Einsatz von Gerätedynamik, also dem kontrollierten Seildurchlauf in der Bremsphase, ist nicht mehr möglich. Dieses Problem wird zusätzlich vergrößert, wenn eine schwere Person eine leichte Person sichert sichert oder wenn hohe Seilreibung im System auftritt.

 

Die Kletterhallen-Unfallstatistik des Deutschen Alpenvereins nennt bei einem Drittel aller Unfälle beim Seilklettern den Anprall an der Wand als Verletzungsursache:

 

Quelle: https://www.alpenverein.de/bergsport/sicherheit/unfallstatistik/kletterhallen-unfallstatistik-2018_aid_34127.html

Weiches Sichern ist also speziell in Situationen mit hoher Reibung oder wenn die kletternde Person deutlich leichter ist, notwendig, um Anprallverletzungen zu vermeiden, allerdings schwierig, weil eine Gerätedynamik nicht möglich ist.

Abhilfe schafft hier ein aktives Verhalten der sichernden Person im Sinne einer verstärkten Körperdynamik. Springt der*die Sichernde im richtigen Moment dem Sturzzug entgegen, werden der Bremsweg verlängert, der Sturz dosiert gebremst und die Anprallgeschwindigkeit reduziert.

 

Testaufbau und Vergleich der Sicherungsmethoden

Um aufzuzeigen, dass das Verhalten des*der Sichernden entscheidend für den Fangstoß und die Anprallgeschwindigkeit ist und nicht die Reibung im System, haben wir vier Szenarien miteinander verglichen. Wir verwenden hierzu ein Fallgewicht von 65 kg, die sichernde Person wiegt ebenfalls 65 kg. Der Gewichtsfaktor in unserer simulierten Seilschaft ist also 1. Das Fallgewicht wird 1 m über die Umlenkung angehoben, die Umlenkung befindet sich in 7,5 m Höhe. An den meisten künstlichen Kletteranlagen entspricht dies der fünften Zwischensicherung. Der Sturzfaktor ist etwa 0,26. (Das Sicherungsgerät befindet sich auf etwa 1 m Höhe, von dort 6,5 m Seil bis zur Umlenkung und 1 m Seil, die das Gewicht über die Umlenkung angehoben wird. Also 2 m freier Fall geteilt durch 7,5 m Seil im System.) Um den Seildurchlauf im Gerät so gering wie möglich zu halten, verwenden wir ein halbautomatisches Sicherungsgerät.

 

  • Im ersten Setup ist das System bis auf die Umlenkung reibungsfrei. Die sichernde Person verhält sich vollkommen passiv, reagiert also nicht willentlich auf den Sturzzug. Wir führen diesen Versuch dreimal durch und mitteln die an der Umlenkung gemessenen Kräfte. Der daraus ermittelte Wert beträgt 4,0 kN.

 

  • Im zweiten Setup lassen wir die Rahmenparameter gleich. Dieses Mal springt der*die Sichernde jedoch im richtigen Augenblick ab, setzt also Körperdynamik ein, um den Fangstoß zu reduzieren. Der gemittelte Wert beträgt nun nur noch 2,9 kN. Allein durch Körperdynamik lässt sich der Fangstoß also um mehr als 25 % reduzieren.

 

  • Im dritten Setup wollen wir nun untersuchen, ob sich Vorreibung im System oder das Verhalten des*der Sichernden stärker auf den Fangstoß auswirken. Um Vorreibung zu erzeugen, schalten wir ein OHM in die Sicherungskette. Das OHM erzeugt eine Vorreibung, die etwa einer Gewichtskraft von 20 kg entspricht und „macht den*die Kletternde*n damit effektiv etwa 20 kg leichter". Wie in der ersten Serie verhält sich die sichernde Person völlig passiv. Der gemittelte Wert nach drei Versuchen beträgt 4,6 kN. Der Fangstoß an der Umlenkung hat also im Vergleich zu reibungsarmen Situation um etwa 0,5 kN zugenommen.

 

  • Das letzte Setup entspricht dem vorangegangenen, dieses Mal jedoch wieder mit aktivem Verhalten des*der Sichernden, also mit Einsatz von Körperdynamik. Erstaunlicherweise entsteht hier ein Fangstoß von nur noch 2,6 kN, also weniger als bei gleichem Verhalten in der reibungsarmen Situation. Die gemessenen Bremswege sind zudem niedriger als im zweiten Setup.

 

Die Erklärung hierfür ist, dass die erhöhte Reibung im System eine zusätzliche Verzögerung erzeugt, die es dem*der Sichernden einfacher macht, den idealen Zeitpunkt für den Einsatz der Körperdynamik zu treffen. Der Impuls des Fangstoßes wird also nicht ausschließlich durch die Beschleunigung der sichernden Person umgewandelt, sondern (teilweise) auch durch die Reibung im System.

Ein*e gute*r Sicherungspartner*in kann demnach nicht nur den Totalabsturz der kletternden Person verhindern, er*sie passt sein Verhalten auch entsprechend dem Gewichtsfaktor und der Reibungssituationen an. Mangelnde Gerätedynamik kann kompensiert werden und ein harter Anprall resultiert nicht aus hoher Reibung im System, sondern aus dem falschen Verhalten der sichernden Person.